13.05.2015
Von Oliver Mayer-Rüth, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Kiffen in Deutschland – ganz legal. Das muss keine Hippie-Fantasie bleiben, sondern könnte bald in einem staatlich regulierten Markt möglich sein. Die Initiative zweier Bundestagsabgeordneter von CDU und Grünen ist nicht aussichtslos – auch, weil Milliarden an Steuereinnahmen winken.
Kiffer – jahrzehntelang galten sie in bürgerlichen Kreisen als linke Systemfeinde, arbeitsscheue, oft langhaarige Pazifisten eben, die gleich nach dem ersten Joint auf die nächste, härtere Droge umsteigen. Ganz so einfach ist es offenbar inzwischen nicht mehr, denn selbst auf der Internetseite der Drogenbeauftragten der Bundesregierung heißt es, fast 40 Prozent der 18- bis 25-Jährigen in Deutschland hätten 2011 mindestens einmal Cannabis probiert.
Restriktive Drogenpolitik in Sachen Cannabis
Dennoch ist die Drogenpolitik in Sachen Cannabis-Besitz und -Erwerb immer noch – abhängig von der Auslegung des jeweiligen Bundeslandes – restriktiv. Konsumenten, die wiederholt mit Cannabis festgenommen werden, müssen mit empfindlichen Geld- und Haftstrafen rechnen. Doch all die Repression hat nicht dazu geführt, dass die Zahl der Kiffer merklich zurückgegangen ist.
Immer mehr Experten stellen infrage, ob diese Politik langfristig Erfolg bringt. Zwar warnen viele fachkundige Mediziner vor den verheerenden Folgen eines exzessiven Cannabiskonsums bei Jugendlichen, gleichzeitig bewerten sie den kontinuierlichen Konsum legaler Drogen, wie Alkohol oder Nikotin, als mindestens genauso gesundheitsschädlich, wie das regelmäßige Essen oder Rauchen von Haschisch oder Marihuana.
“Nur ein regulierter Markt für Cannabis kann organisierte Kriminalität wirksam bekämpfen”
Politiker für regulierte Cannabis-Freigabe
Auch Joachim Pfeiffer, CDU-Bundestagsabgeordneter und wirtschaftspolitischer Sprecher der Union, stellt die Widersprüchlichkeit der aktuellen Regelung inzwischen deutlich infrage. Gemeinsam mit seinem Bundestagskollegen von den Grünen, Dieter Janecek, fordert Pfeiffer in einer Stellungnahme, die dem ARD Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, die regulierte Freigabe von Cannabisprodukten in Deutschland.
Dort heißt es:
“Zwischen ein und zwei Milliarden Euro geben wir in der Folge pro Jahr für die Strafverfolgung von KonsumentInnen aus, obwohl doch der eigentliche kriminelle Sektor im Zentrum unserer Anstrengungen stehen sollte.”
Und weiter:
“Wir verhaften öfter die Zeugen als die Täter und müssen dann feststellen, dass die Unterbindung der Nachfrage durch Abschreckung in der Praxis nicht funktioniert.”
Ein staatlich regulierter Markt für Cannabis brächte aus Sicht der beiden Abgeordneten Steuereinnahmen von “bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr”. Das zeigten “Beispiele erfolgreicher Liberalisierungen und Regulierungen in anderen Staaten”.
Gröhe strikt gegen Freigabe von Cannabis
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist weiter strikt gegen die Freigabe von Cannabis. Er könne auch keine Tendenz innerhalb der Union insgesamt feststellen, “einer Freigabe von Cannabis das Wort zu reden”, sagte Gröhe in Berlin.
Wissenschaftler: Cannabis nicht zu teuer verkaufen
Immer mehr Wirtschaftswissenschaftler unterstützen diese Position. Justus Haucap von der Universität Düsseldorf fordert im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio beispielsweise eine “weitgehende Liberalisierung der Drogen Haschisch und Marihuana, um den Schwarzmarkt wirklich in den Griff zu bekommen”. Eine eingeschränkte Liberalisierung per Rezept und Arzt treibe Cannabiskonsumenten lediglich zum Schwarzmarkthändler. Außerdem sollten die Preise nicht zu hoch sein. Denn hohe Preise führten dazu, dass der Konsument die Droge selbst anbaue oder eben zum günstigeren Dealer ohne staatliche Verkaufslizenz gehe, so Haucap.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) geht sogar von Steuereinnahmen von bis zu 3,5 Milliarden Euro pro Jahr aus. Neben Haucap befürworten auch IW-Direktor Michael Hüther und der Wirtschaftsweise Lars Feld die regulierte Freigabe.
Die Haschisch-Politik in den USA als Vorbild
Für viele in der Union dürften solche Positionen und Berechnungen noch ziemlich gewöhnungsbedürftig sein. CDU-Mann und USA-Fan Pfeiffer sieht das progressiver. Er findet wie sein grüner Bundestagskollege Janecek, die US-amerikanischen Beispiele für eine Cannabis-Liberalisierung interessant und beobachtet auch die Diskussionen im italienischen Parlament, den Verkauf von Cannabis vorsichtig freizugeben.
Jugendschutz nicht außer Acht lassen
Den Jugendschutz wollen die Abgeordneten trotz aller Liberalisierungsbemühungen nicht außer Acht lassen: “Anstatt jungen Erwachsenen zu signalisieren, dass sie Kriminelle sind, sollten wir lieber im Rahmen einer vor allem finanziell deutlich besser aufgestellten Präventionsarbeit in einen fruchtbaren Dialog mit potentiellen und tatsächlichen KonsumentInnen treten”, so Pfeiffer und Janecek.