3.11.2015
Seit einigen Jahren hat sich in Spanien eine rege Szene von Cannabis Social Clubs etabliert. Das nun auch in Deutschland immer häufiger diskutierte Konzept entstand auf der Grundlage des Rechts auf Eigenanbau von Cannabispflanzen zum Eigenbedarf. Mittels des Vereinsrechts haben sich Menschen zum gemeinsamen Anbau und Konsum von Cannabis organisiert.
Vor zwei Jahren hat das Höchste Gericht in Spanien, el Tribunal Supremo, ein Urteil über die entstandenen Vereine gesprochen und einen Rahmen gesetzt, in dem sie operieren konnten. Da es bisher kein Gesetz gibt, welches diese Clubs positiv reguliert, wird bisher nur von einer Doktrin des geteilten Konsums gesprochen (doctrina del consumo compartido). Das bedeutet, dass die Clubs zwar nicht legal reguliert sind, aber durch andere gesetzliche Rahmenbedingungen in einem nicht strafrechtlich relevanten Rahmen toleriert, existieren können. Unter Einhaltung der in der Doktrin gesetzten Regeln, ist der geteilte Konsum damit nicht strafbar.
Cannabis Social Clubs können demnach für ihre Mitglieder kollektiv Cannabis anbauen und diesen Anbau auch an einen Gärtner delegieren. Die Ernte darf ausschließlich an Clubmitglieder abgegeben werden, deren Konsumbedarf bei Clubeintritt ermittelt wird. Es muss sichergestellt werden, dass kein Cannabis an Dritte weitergegeben wird. Darüber hinaus dürfen die Clubs auch nicht gewinnorientiert wirtschaften.
Anfang September hat das hohe Gericht nun ein neues Urteil gefällt, dass den Rahmen für die Clubs noch viel enger steckt, da das Gericht den zuvor gesetzten Rahmen von vielen Clubs als gesprengt ansieht.
Die Fakten zum Urteil
In dem Urteil ging es um einen spezifischen Club aus Bilbao. Der seit 2010 bestehende Club EBERS wurde 2011 einer Razzia unterzogen, bei der knapp fünf Kilogramm Cannabis von der Polizei sichergestellt wurden. Insgesamt fünf Mitglieder des Clubs (der 290 registrierte Mitglieder zählt) wurden wegen Drogenhandel, Angriff auf die öffentliche Gesundheit, Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung und wegen einer unrechtmäßigen Vereinigung angeklagt. Das Regionalgericht in Bilbao hat sie von all diesen Vorwürfen freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft hat den Fall vor das Höchste Gericht gebracht, unter dem Vorwurf, die Clubs würden den Konsum von Cannabis fördern.
Das Höchste Gericht hat die Clubmitglieder von den Vorwürfen des Drogenhandels an Dritte und des gewinnorientierten Wirtschaftens, sowie der unrechtmäßigen Vereinigung freigesprochen, jedoch ein strenges Urteil darüber gefällt, ob diese Art der Vereinigung, überhaupt unter der Doktrin des geteilten Konsums fallen kann. Die Clubs weisen eine methodische Struktur auf, sie sind institutionalisiert und damit beständig und offen für den Zugang weiterer Mitglieder. Genau das könnte laut dem Urteil aber nicht von der Doktrin gedeckt sein.
Verurteilt wurden die Angeklagtem vom Höchsten Gericht zu Haftstrafen von 3 Monaten (einfache Mitglieder) und 8 Monaten( für die Clubbetreiber), wegen Förderung des Cannabiskonsums von Dritten, was als Angriff auf die öffentliche Gesundheit gewertet wird und damit strafbar ist.
Damit könnte das Urteil, welches zunächst nur den einen Club betrifft, große Auswirkungen auf das Modell des Cannabis Social Clubs in Spanien insgesamt haben.
Die Rechtlichen Grundlagen
Das Gericht hält fest, dass Gewinnorientierung und persönliche Bereicherung nicht zwangsläufig den Tatbestand des Drogenhandels begründen und somit ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen würden.
Festgehalten wird dennoch, dass nach dem Artikel 386 Strafgesetzbuch jeder Drogenkonsum, wenn er nicht zu therapeutischen Zwecken bestimmt ist, illegal, wenn auch nicht strafbar ist. Jede Handlung, die diesen illegalen Konsum fördert oder favorisiert ist als Drogenhandel zu verstehen, sofern sie eine abstrakte Gefahr darstellt. Strafbar ist demnach auf der Grundlage der Gesetze der öffentlichen Sicherheit und des Betäubungsmittelgesetzes nur Konsum, der in der Öffentlichkeit stattfindet, solcher der gegen eine bereits erteilte Genehmigung verstößt und alles, was eine wahllose Verteilung der Droge mit Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellt.
Das Gericht bestätigt mit seinem Urteil die Interpretation, dass eigentlich aller Konsum illegal sei, aber das Anbauen für den Eigengebrauch und das konsumieren dessen, solange es nicht zur Verbreitung oder Ermöglichung des Konsums von Dritten dient, nicht strafbar sei.
Die Grenzen der Doktrin des “consumo compartido”
Die Doktrin des geteilten Konsums ist eine Konstruktion der Gerichtsbarkeit, welche nicht nur den Eigenkonsum, sondern auch den in einer Gruppe praktizierten Konsum als nicht strafrechtlich relevant ansieht. Das beinhaltet auch die gegenseitige Hilfe zur Beschaffung oder Bereitstellung von Cannabis unter den beteiligten des Kollektivs, sofern es sich um geringe Mengen handelt.
Die Kriterien vom jüngsten Urteil des Höchsten Gerichts sind sehr restriktiv:
1.) Es muss sich um Gewohnheitskonsumenten oder Süchtige handeln, die sich zu einer Gruppe zusammen tun, um die Substanz zu konsumieren.
2.) Der Konsum muss in einem geschlossenen Raum stattfinden. Die Konsum der Substanz darf nicht in der Öffentlichkeit gefördert werden und nicht über die ursprünglichen Mitgliedern der Gruppe hinaus verbreitet werden.
3.) Der Konsumakt muss sich auf eine reduzierte Gruppe von bestimmten und identifizierbaren Süchtigen beschränken.
4.) Es ist beschränkt auf reduzierte und limitierte Mengen für den täglichen Gebrauch ohne Möglichkeit der Anlegung von Vorräten.
Hiermit sprengt das Gerichtsurteil das Schema des Cannabis Social Clubs, wenn es festlegt, dass die Doktrin des geteilten Konsums sich nicht auf Vereine erstrecken kann, die Cannabis vertreiben. Hinzugefügt wird, dass es das organisierte Anbauen, Anhäufen oder Ankaufen von Marihuana, um es dann an Dritte weiterzugeben, ein Verbrechen sei, auch wenn diesen Personen die Auflage einer vorherigen Mitgliedschaft in einem Verein oder Kollektiv gemacht wird.
Das Gericht stellt fest, dass die gesellschaftliche und politische Debatte über die Legalisierung und Regulierung von Cannabis voll im Gange ist und dass es nicht die Aufgabe der Gerichtsbarkeit sei, in diese Debatte einzugreifen und noch weniger Entscheidungen, die anderen Gewalten im Staate obliegen, vorwegzunehmen. Es ist daher auch naiv zu glauben, man könne über Gerichtsurteile und deren Begründungen zu einer Legalisierung von Cannabis kommen. Hierüber ist nur mit einem Toleranzrahmen zu rechnen, der bisher auch bestanden hat, aber nicht mit einer Regulierung, welche den Konsumenten auch Rechte eingesteht, die auch einklagbar sind.
Gleichzeitig hält das Gericht fest, dass die Doktrin des geteilten Konsums durchaus das kollektive Anbauen zum gemeinsamen Konsum unter den Mitgliedern eines Vereins decken kann, hat sich aber geweigert, die dafür notwendigen Bedingungen festzulegen, da dies seine Kompetenzen überschreiten würde.
Fünf von 15 Richtern des Plenums der zweiten Kammer des Höchsten Gerichtes haben ein Sondervotum abgegeben, in dem sie kundtun, dass es unzureichend sei, wenn das Gericht auf die Nennung von Vernünftigen Bedingungen für das Betreiben von Cannabis Social Clubs verzichtet. Es wäre durchaus in seiner Kompetenz, nach einer langen Zeit der juristischen Unsicherheit hier für Klarheit zu sorgen und die Grenzen für Cannabisvereine festzustecken.
Schlussfolgerungen
Das Höchste Gericht hat sich für eine restriktive Interpretation der „Doctrina del consumo compartido“ entschlossen. Die Mehrheit der existierenden Clubs werden nur noch schwerlich darunter passen.
Hauptsächlich muss die Anzahl der Mitglieder reduziert und Dritten gegenüber nicht offen sein, d.h. limitiert und klein, was wortgetreu heißt, dass wenn einst der Verein konstituiert ist, er keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen darf. Wie groß der Club sein darf, wurde juristisch nicht festgelegt, aber sicherlich werden die Clubs, welche hunderte oder tausende Mitglieder haben, nicht darunter fallen.
Alle Vereine, die Cannabis vertreiben, deklariert das Gerichturteil als ausdrücklich außerhalb der Doktrin. Es insistiert, dass es nicht erlaubt sei, wenn eine kleine Gruppe von Personen die Versorgung, den Anbau und den Vertrieb organisiere und eine große Gruppe wahlloser Konsumenten sich darauf beschränke, die Substanz nach Zahlung eines Mitgliedsbeitrags für einen fixen Preis zu erhalten. Dies fällt unter „Ermöglichung des Konsums von Dritten“, da es sich dann um Verteilende und empfangende Konsumenten handeln würde und dies sei strafrechtlich relevant.
Es geht also nicht nur um eine Frage der Quantität, sondern auch der Qualität: nur eine reduzierte Anzahl an Personen mit einer nicht hierarchischen Struktur, die sich die Arbeit der Organisation des Anbaus und der Verteilung in einer gleichberechtigten Art und Weise teilen, wären von der so eingeschränkten Doktrin gedeckt. Juristisch wäre das dann eher eine Gütergemeinschaft als ein Verein.
Nichts davon passt so richtig auf das Modell, das hunderte von Cannabis Clubs inspiriert, darum ist das Urteil näher an dem wortwörtlichen Tenor der Norm dran, als an der sozialen Realität.
Das Gericht kann und soll sich auch verweigern in die Debatte über die Legalisierung einzugreifen, mit diesem Urteil greift es aber in den Alltag vieler Mitglieder von bisher legal konstituierten Vereinen ein, die nach den neuen Kriterien sich wahrscheinlich wieder dem Schwarzmarkt zuwenden werden müssen.
Gleichzeitig sollten sich alle Vereine bewusst sein, dass die 2012 in Málaga etablierte „doctrina del consumo compartido“ viele der aktuellen Praktiken nicht deckt und dass diese dazu beigetragen haben, dass die Doktrin gesprengt wurde.
Dieser Text ist eine freie Übersetzung von einem bei unserem europäischen Dachverband ENCOD veröffentlichten Beitrag. Die Einleitung wurde auf die Diskussion in Deutschland angepasst.
Wir werden die Situation in Spanien weiter im Blick behalten und euch auf dem Laufenden halten!