Quelle: Kobinet-nachrichten.org
21 Januar 2011
Köln/Hamburg (kobinet) Das Verwaltungsgericht Köln hat eine Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel aufgehoben, die einem an Multipler Sklerose und Ataxie erkrankten Patienten untersagt hat, Cannabis für seinen medizinischen Eigenbedarf selbst anzubauen. Das Gericht trägt in seiner Entscheidung der Problematik vieler Schmerz- und Ataxiepatienten Rechnung, bei denen Therapien mit zugelassenen Medikamenten (die die Krankenkassen bezahlen) nicht greifen, die sich aber die Therapie mit Cannabinoiden (wie Dronabinol) oder niederländischem Medizinalhanf (den zu beziehen ihnen die Bundesopiumstelle unter Umständen erlauben würde) nicht leisten können. Der kostengünstige Eigenanbau, der zumindest ihre Symptome lindert wurde ihnen bislang stets verweigert.
Das Verwaltungsgericht Köln hat in seiner wegweisenden Entscheidung (die sich auf zwei Entscheidungen in ähnlich gelagerten, aber nicht den Eigenanbau von Cannabis betreffenden Fällen des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Nordrheinwestfalen stützt) festgestellt, dass in einem Fall, wie dem des Klägers, keine zwingende Versagungsgründe für einen Eigenanbau existieren. Vor allem sind die sehr scharfen Sicherungsrichtlinien des Bundesinstituts für Arzneimittel nicht auf Patienten anzuwenden, bei denen keine Behandlungsalternativen bestehen.
Auch die Behauptung der Beklagten, dass die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis bislang nicht nachgewiesen sei, ist nach Auffassung des Gerichts unerheblich: „Bei der vorliegenden schweren Erkrankung des Klägers (ist) schon die Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit eine Linderung, deren Eröffnung im öffentlichen Interesse liegt.“ Soweit das Bundesinstitut argumentiert, die Genehmigung des Eigenanbaus von Cannabis verstoße gegen das Suchtstoffübereinkommen von 1961 (ÜK 1961) hält das Gericht die vorgetragenen Erwägungen für ermessensfehlerhaft, weil die Behörde nicht abgewogen hat, „ob wegen der Schwere der Erkrankung des Klägers unter Beachtung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes selbst ein Verstoß gegen internationale Suchtstoffübereinkommen hinzunehmen ist.“
Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte (Hamburg), der das Verfahren für den Kläger geführt hat, begrüßt die Entscheidung: „Vielen schwerkranken Patienten ermöglicht nur der Eigenanbau von Cannabis tatsächlich eine Therapie ihrer Schmerzen, Ataxien oder anderer gravierender Krankheitserscheinungen. Deswegen ist es zwingend geboten, ihnen diesen Eigenanbau auch zu ermöglichen. Jetzt steht insbesondere der Bundesgesundheitsminister in der pflicht zu zeigen, dass er die Lage schwerstkranker Menschen wirklich verbessern will.“ Das Bundesinstitut für Arzneimittel wollte dem Antrag des Klägers in diesem Verfahren stattgeben, war aber vom Bundesgesundheitsministerium angewiesen worden, dem Antrag auf Eigenanbau von Cannabis keinesfalls stattzugeben. sch