Quelle: Legalisieren.at
11 oktober 2011
Dass gelegentliches Kiffen zu Hause hinterm Ofen in Österreich kein Grund ist, die gesundheitliche Führerscheineignung anzuzweifeln, weiß jeder, der einmal auf dieser Homepage surfte.
Wider besseres Wissen setzen sich Verkehrsämter und Bezirkshauptmannschaften immer noch über elementare Grundsätze hinweg. Hier drei Beispiele aus letzter Zeit:
Drogenplanquadrat in der Hopfengasse in Linz.
Im Juli 2010 wird ein Nachtschwärmer in der Hopfengasse in Linz im Rahmen eines „Drogenplanquadrates“ wegen seines äußeren Erscheinungsbildes von zwei Polizisten durchsucht. Eine Beschwerde wegen rechtswidriger Personendurchsuchung hätte die Polizisten wohl in Bedrängnis gebracht. Sie finden nichts, ringen ihm aber das Eingeständnis ab, vor einigen Stunden eine Tüte geraucht zu haben. Das Verkehrsamt Linz erlässt fünf Tage später eine bescheidmäßige Aufforderung zur amtsärztlichen Führerscheinuntersuchung. Wenn es auch so schnell ginge, wenn der Betroffene mal etwas von der Behörde braucht … Aufgrund des Rechtsmittels begründet die Behörde, der Betroffene habe vor mehr als sechs Jahren verschiedene illegalisierte Substanzen regelmäßig konsumiert. Somit lasse schon der einmalige „Rückfall“ die Alarmglocken schrillen. Aber sie hatte dem Betroffenen den Führerschein damals auch entzogen und erst 2009 nach einem befürwortenden psychiatrischen Gutachten wieder gegeben. Die nächsthöhere Behörde gab dem Betroffenen Recht. Einmaliges Kiffen ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeuges ist kein tragfähiger Grund für eine amtsärztliche Führerscheinuntersuchung.
Einmal Kiffen in Amsterdam ruft das Bürgerbüro Kufstein auf den Plan.
Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein tritt in Sachen Cannabis und Führerschein wiederholt als Scharfmacher in Erscheinung. Von der Polizei wird sie informiert, dass ein Führerscheinbesitzer laut Zeugenaussage im August 2010 in Amsterdam gekifft habe. Der Betroffene bestreitet dies. Sonst liegt gegen ihn gar nichts vor. Das „Bürgerbüro“ der BH Kufstein schießt scharf und schickt sogleich einen Bescheid mit der Verpflichtung zur amtsärztlichen Führerscheinuntersuchung – innerhalb von zwei Wochen, sonst ist der Führerschein weg! Der Anwalt erhebt ein Rechtsmittel. Wenige Wochen später kommt die Mitteilung, dass die Sache gegenstandslos ist. Das Ganze erinnert an George Orwell. „Bürgerbüro“ würde das in „1984“ wohl auch heißen.
Freiwillige Nachschau am Josef-Mayburger-Kai in Salzburg
Das Josef-Mayburger-Kai in Salzburg darf kein Kiffer-Hangout werden. Deshalb führen Polizisten dort „intensive Kontrollen“ durch. Ohne irgendeinen konkreten Verdacht wird am 10.06.2011 die Bekleidung und der Rucksack eines 19-Jährigen durchsucht, der sich dort in Begleitung seiner Freundin aufhält. Im Polizeibericht heißt es dann „freiwillige Nachschau Oberbekleidung und mitgeführte Behältnisse“. Schon wieder so eine Orwell’sche Verdrehung. Es kommen im Rucksack 1,95 gr Cannabis zum Vorschein. Ab auf die Polizeiinspektion Itzling, Protokoll („Bisher in meinem Leben ca 6 mal gekifft in den letzten drei Monaten“) und gleich auch Fotos und Fingerabdrücke für die Verbrecherkartei. Schon 10 Tage später die Ladung der BH Salzburg-Land zur Führerscheinuntersuchung. EUR 47,20 mitbringen! Als die Amtsärztin bei der Untersuchung eine verkehrspsychologische Stellungnahme und einen Harnbefund auf Cannabiode verlangt, informiert sich der Betroffene auf legalisieren.at.
Inzwischen hat die BH Salzburg-Land das verkehrspsychologische Gutachten und die Vorlage des Harnbefundes mit Bescheid aufgetragen. Der Bescheid wird im Instanzenzug nicht halten. Und die Datenschutzkommission prüft, ob die Polizei wirklich von jedem Cannabiskonsumenten Fotos und Fingerabdrücke für die „Erkennungsdienstliche Evidenz“ (Verbrecherkartei) anfertigen darf. Auch hier dürfte die Polizei den Kürzeren ziehen.
Kommentar Rechtsanwalt Dr Gebhard Heinzle, Bregenz:
Freiwilligkeit darf ein Polizist nur in Anspruch nehmen, wenn kein Zweifel daran besteht, dass der Betroffene sich der Freiwilligkeit bewusst ist. Es gibt einen Bodensatz an Polizisten, die mit illegalen Methoden junge unerfahrene Menschen kontrollieren und ihnen minimale Cannabisdelikte „anhängen“. Und gleich fleißig fürs Verbrecheralbum fotografieren. Und Führerscheinbehörden, die nicht so sehr rechtsstaatlich sondern mit blindem Verfolgungseifer Cannabiskonsumenten drangsalieren. Und es gibt – das ist die gute Nachricht – einen funktionierenden Rechtsstaat in Österreich, der jedem Betroffenen die Möglichkeit gibt sich zur Wehr zu setzen. Betroffene Bürger müssen Polizei und die Führerscheinbehörden durch Beschwerden und Rechtsmittel erziehen, und nicht umgekehrt!