Manifest der Globalkoalition von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zuhanden der Spezialsitzung der UNO Generalversammlung zur Drogenthematik in New York vom 8.-10. Juni 1998
Als Nichtregierungsorganisationen (NGOs)*, beunruhigt durch die wachsenden Auswirkungen des illegalen Drogenhandels sowie der Politik, welche diesen zu kontrollieren suchen, aber auch beunruhigt durch die globale Entwicklung möchten wir folgende Überlegungen und die daraus abgeleiteten Vorschläge zuhanden der Spezialsitzung der UNO Generalversammlung zur Drogenthematik in New York vom 8.-10. Juni 1998 präsentieren.
Wir stellen fest:
* dass in den meisten Ländern versucht wird, die internationalen UNO-Drogenkonventionen von 1961, 1971 und 1988 zur Drogenkontrolle voll anzuwenden
* dass diese Versuche sich als erfolglos erwiesen haben, was das Unterbinden des illegalen Drogenhandels betrifft
* dass diese Versuche im Gegenteil an eine Zunahme des Drogenhandels beitragen,
* dass diese Versuche schädliche und kontraproduktive Auswirkungen haben
* dass die schwächsten Glieder der Drogenhandelskette (die DrogenkonsumentInnen, KleinkurierInnen und die ländliche Bevölkerung in Zonen mit illegalen Anpflanzungen) unverhältnismässig stark unter den negativen Konsequenzen von Drogenkontroll-Massnahmen zu leiden haben.
Unter den negativen Konsequenzen sind zu erwähnen:
a. Verletzung der grundlegendsten Menschenrechte der schwächsten Glieder der Drogenhandelskette (ökonomische, politische, kulturelle Rechte und das Recht auf Gesundheit)
b. Kriminalisierung und Diskriminierung und als Konsequenz die Marginalisierung von DrogenkonsumentInnen und von kleinbäuerlichen ProduzentInnen von illegalen Anpflanzungen sowie von anderen verarmten Teilen der Bevölkerung, welche in die Produktion oder den Handel von illegalen Drogen verwickelt sind, denen aber keine oder nur geringe Verantwortung zukommt
c. Das Verschwenden von Geldern für die Repression. Diese Gelder würden besser eingesetzt für zweckmässige Präventions-, Schadenminimierungs- und Therapieprogramme
d. Umweltschäden hervorgerufen durch nicht nachhaltige Anbauzerstörungs- und Substitutionsmethoden
e. Verletzung der nationalen Souveränität von Vertragsländern der UNO-Konventionen und ganz speziell der sogenannten drogenproduzierenden Länder
f. Zerrüttung des Rechtsstaates durch die Zunahme von Willkür und Korruption und durch die Schaffung von nationalen und internationalen Kontrollorganen, welche der demokratischen Kontrolle entrinnen
Aus diesem Grund betrachten wir diese Drogenkontrollmassnahmen als ineffizient, nutzlos und ein grosses Hindernis zur Einführung von neuen Strategien, um das Problem sowohl auf globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen. Wir befürchten, dass die Verstärkung der aktuellen Politik zu einer Verschlechterung der Drogensituation beiträgt und zunehmend die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen schwindet.
Ausserdem stellen wir fest, dass die aktuelle Politik zur Drogenkontrolle in einem wirtschaftlichen Kontext der Globalisierung und der Handelsliberalisierung stattfindet. Diese Prozesse können dazu führen, dass die wirksame Anwendung der Mehrzahl von Drogenkontrollmassnahmen unmöglich wird.
Wir sind der Meinung, dass die Politik der Drogenkontrolle sich den Prinzipien einer guten Regierungsführung unterordnen muss, wie sie in den universalen Menschenrechtserklärungen, in der Konvention über Biodiversität und in anderen internationalen Abkommen zugrundegelegt sind. Wir beziehen uns insbesondere auf die Einhaltung der Prinzipien, welche die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte, das Recht auf kulturelle Vielfalt für alle Individuen garantieren und welche die nachhaltige Wahrung unseres Planeten ins Auge fassen. Drogenkontrollpolitik sollte sich vornehmlich auf die Reduzierung möglicher Schäden beschränken, welche die Produktion, der Handel und der Konsum von Drogen hervorrufen können.
Wir schlagen deshalb den Regierungen der Welt vor, folgende Massnahmen zur Verbesserung der aktuellen Drogenkontrollpolitik zu treffen und damit zu mehr Effizienz, Gangbarkeit und Glaubwürdigkeit beizutragen:
a. Keine Strafverfolgung von Anpflanzungen kleiner ProduzentenInnen zur Produktion von illegalen Drogen und Einleitung von strukturellen Massnahmen im Einverständnis mit allen betroffenen Sektoren auf ökonomischer, politischer und sozialer Ebene mit dem Ziel, eine reale Alternative anzubieten, um von der Abhängigkeit der Anpflanzung illegaler Substanzen wegzukommen.
b. Einstellung von zwangsweisen Anbau-Zerstörungsmassnahmen und von Massnahmen, welche negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben, wie zerstörerische Besprühungsaktionen aus der Luft mit Pestiziden und Entlaubungsmitteln.
c. Nichteinbeziehung des Militärs in Drogenkontrollaktivitäten und Entmilitarisierung von Zonen mit illegalen Anpflanzungen.
d. Keine Strafverfolgung des Drogenkonsums und Suche nach Formen der Regulierung, welche für die die betroffene Lokalbevölkerung sozial und kulturell akzeptierbar ist. Einleiten von breiten Massnahmen zur Vorbeugung und Behandlung des problematischen Drogenkonsums und zur Schadensreduktion.
e. Aufhebung sämtlicher spezieller Drogengesetzgebungen, welche gegen allgemein anerkannte Gesetzes- und Prozessgarantien verstossen
f. Garantieren sämtlicher Rechte, welche eine pluralistisch-demokratische Gesellschaft der Toleranz und des offenen Geistes kennzeichnen, im Speziellen die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit für alle Individuen über Themen, welche in Zusammenhang mit Drogen stehen.
g. Die Souveränität der Länder und der Völker garantieren und aufheben aller möglichen Auflagen gegen die sogenannten Produktionsländer.
h. Garantieren der Transparenz über Gelder und Güter, welche vom Drogenhandel konfisziert wurden, und ihre Verwendung zu sozialen Zwecken.
Zusätzlich schlagen wir eine neue Klassifizierung für psychoaktive Substanzen vor – gleich ob zur Zeit legal oder illegal -, entsprechend wissenschaftlichen Kriterien über die Gefährlichkeit der Substanzen für die menschliche Gesundheit
Entsprechend den in diesem Text formulierten Prinzipien und der vorgeschlagenen Neuklassifizierung der Substanzen fordern wir Sie auch auf, den Signaturstaaten zu erlauben, Experimente auf lokaler Ebene mit alternativen drogenpolitischen Versuchen machen zu können (eingeschlossen Schritte zur Legalisierung gewisser Substanzen). Aus diesen Experimenten kann die internationale Gemeinschaft nützliche Lehren ziehen auf der Suche nach einer gerechteren und wirksameren Drogenpolitik.
Wien 15.März 1998
* Der Begriff Nichtregierungsorganisationen NGO / NRO wird in sehr weitem Sinne verwendet, um alle basisorientierten und bürgernahen Vereine, Institutionen und Organisationen einzuschliessen.
Diese Organisation unterschreibt diesen Manifest:
Name:
Adress:
Kontaktperson:
Sende Sie Ihre Unterschrift an:
EUROPEAN COALITION FOR JUST AND EFFECTIVE DRUG POLICIES (ENCOD)
Ploegstraat 27, 2018 Antwerpen, Belgium
Telephone: +32 495 122 644
e-mail: info@encod.org