Quelle: RP Online
10.08.2010 – 07:34
VON DIETER DORMANN
NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) will die “Eigenbedarfsgrenzen” für Haschisch erhöhen, die es ins Ermessen der Staatsanwaltschaft stellen, ob ein Strafverfahren eröffnet wird. Zoll und Polizei kritisieren die Pläne als “ein falsches Signal”, Drogenberater begrüßen sie.
Canabis-Verkäufer Mike verkauft im Coffeshop “Roots Oase” in Venlo Haschisch. Foto: Werner Gabriel
Canabis-Verkäufer Mike verkauft im Coffeshop “Roots Oase” in Venlo Haschisch. Foto: Werner Gabriel
Seit Jahren ärgern sich Anwohner des “Drogenpfades” in Nettetal-Kaldenkirchen über einen Touristenstrom der besonderen Art, der Tag für Tag über sie hereinbricht. Aus ganz NRW reisen vor allem jugendliche Haschisch-Konsumenten mit dem Zug (“Kiffer-Express”) in die Grenzgemeinde, um von dort über einen Fußweg (“Drogenpfad”) zwei Coffeeshops zu erreichen. Die liegen etwa drei Kilometer hinter der Grenze in den Niederlanden.
Dort werden Cannabis-Produkte legal verkauft. Nach deutschem Recht ist ihr Besitz verboten. Zurückkehrende Hasch-Touristen werden so zum Fall für die deutsche Polizei, Zoll und Bundespolizei.
Die erste Droge, die der User nachempfindet, ist Marihuana. Beim Scrollen über den Bildschirm steigt immer mehr Rauch auf, die Maus bewegt sich sehr langsam. Dies soll widerspiegeln, dass Marihuana die Hirntätigkeit verlangsamt.
Auch die Schrift verschlechtert sich, wird quasi mehr und mehr vernebelt.
Um den Button “Continue” zu erreichen, ist Fingerspitzengefühl und Geduld nötig. Beim Klick auf den Button wird die nächste Droge freigesetzt.
Allein die 15 Zollbeamten der Kontrolleinheit Verkehrswege Kaldenkirchen haben im vergangenen Jahr 22.000 Personen und Fahrzeuge kontrolliert und 63 Kilogramm Rauschgift beschlagnahmt. Hinzu kommen die “Aufgriffe” durch Polizei und Bundespolizei. “2009 haben die Beamten der Wache in Nettetal mehr als 1000 Strafanzeigen wegen Drogenbesitzes geschrieben”, sagt Antje Heymanns, Sprecherin der Polizei im Kreis Viersen.
Nicht immer leitet die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes Strafverfahren gegen die “Kiffer-Touristen” ein. Wer nicht mehr als sechs Gramm Haschisch (“Eigenbedarfsgrenze”) bei sich hat und erstmals auffällig wird, kann mit einer Einstellung des Verfahrens rechnen. Nur bei Jugendlichen gilt eine “Null-Toleranz-Grenze”.
Die teilweise mehrere Hektar großen Plantagen sind nur aus der Luft mit Hilfe von Hubschraubern zu erkennen. Eine der größten Plantagen lag dann auch nur hundert Meter vom Grenzübergang nach Waldfeucht (Kreis Heinsberg) entfernt.
Auslöser für die Aktion war die bevorstehende Maisernte. In den Feldern hatten fleißige Freizeitgärtner Hanf angepflanzt
Niederländische Polizei vernichtet riesige Hanfplantage
Diese Regelung will der neue NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) noch in diesem Jahr ändern. Bei Cannabisprodukten plant er, künftig bis zu zehn Gramm zu dulden, bei Heroin und Kokain – dort galt eine “Null Toleranz”-Regelung – bis zu 0,5 Gramm.
Die Herabsetzung der “Eigenbedarfsgrenze”, die seine Vorgängerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) 2007 verfügte, hält Kutschaty für einen Fehler, “der in der Praxis dazu geführt habe, dass auch Gelegenheitskonsumenten völlig unnötigerweise kriminalisiert werden – also Menschen, die weder drogenabhängig noch in kriminelle Stukturen verstrickt sind.” Von der geplanten Erhöhung verspricht sich der Minister zudem eine “spürbare Entlastung für unsere Staatsanwaltschaften”. Die Spezialisten könnten sich dann auf die Bekämpfung der schweren Drogenkriminalität mit ihren organisierten Strukturen konzentrieren.