17. Februar 2015
Von Michael Matzenberger
Das Geschäftsmodell eines niederösterreichischen Hanfzüchters ist laut Oberlandesgericht rechtskonform. Die Staatsanwaltschaft akzeptiert den Beschluss und verzichtet auf Rechtsmittel. Der Angeklagte spricht von einem “richtungsweisenden Etappensieg”
Einer der größten Zierpflanzenproduzenten Österreichs entschied sich vergangenes Jahr, Cannabispflanzen zu produzieren. Das Geschäftsmodell sah vor, Stecklinge aufzuziehen und noch vor Erreichen des Blütenstands zu verkaufen – erst ab dann entwickelt die Pflanze das berauschende Cannabinoid THC, dessen Erzeugung, Erwerb und Besitz in Österreich strafbar ist.
Obwohl die Aufzucht bis zur Blüte gesetzlich nicht explizit verboten ist, herrscht in der Rechtspraxis eine kontroversielle Debatte, ob sie nicht schon als Beitragstäterschaft zu ahnden ist. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) verneint das nun in einem Beschluss explizit.
Tausende Pflanzen beschlagnahmt
In Kooperation mit einer Wiener Neustädter Gärtnerei wollte das Unternehmen die Pflanzen in Glashäusern kultivieren und über den Großhandel an andere Geschäfte verkaufen. Im Herbst 2014, die Vorbereitungen waren noch nicht abgeschlossen, griff jedoch die Polizei ein.
Über 4.000 Pflanzen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt beschlagnahmt und ein Strafverfahren eröffnet. Im Oktober legte der Rechtsvertreter der Wiener Neustädter Gärtnerei Beschwerde gegen die Beschlagnahme der Pflanzen ein. Er argumentierte vor Gericht, dass Flowery Field, ein in Brunn am Gebirge ansässiger Stecklingszüchter, dasselbe Geschäftsmodell betreibe.
Anzeige wegen Reportage-Inhalten
Der Anwalt zitierte dazu zur Gänze die im vergangenen Mai auf derStandard.at erschienene Fotoreportage “Die Cannabisplantage im Speckgürtel vor Wien”. Darin erklärte Alexander Kristen, der Geschäftsführer und Inhaber von Flowery Field, seinen gewerblichen Balanceakt zwischen legaler Pflanzenzucht und dem Vorwurf der Beitragstäterschaft.
Die Staatsanwaltschaft fasste den Verweis des Anwalts aber nicht als Argument für die Gärtnerei auf, sondern als Argument gegen Flowery Field. Sie zeigte auch Kristen an und forderte das Landeskriminalamt Mödling zu ermitteln auf, da sich “im Hinblick auf AS 9ff” – gemeint sind die Zitate der Reportage – Verdachtsmomente gegen Kristen ergeben.
In dem Schreiben an die Exekutive heißt es: “Der Beschuldigte ist nunmehr verdächtig, bis dato in Brunn am Gebirge und Wien im Rahmen seiner Gärtnereien THC-hältige Cannabispflanzen in großer Menge zum Zweck der Suchtgiftgewinnung anzubauen und weiterzuverkaufen bzw. Suchtgift zu erzeugen.”
Die polizeilichen Ermittlungen ergaben aber nur, was über Flowery Field auch öffentlich bekannt ist: In den Hallen werden Cannabispflanzen gezüchtet, doch “Blüten und Blütenstände konnten keine wahrgenommen werden”.
“Raum für legalen Cannabispflanzenanbau”
Das Oberlandesgericht Wien, bei dem die Causa schließlich landete, entschied Ende Dezember mittels Beschluss, dass die Beschlagnahme der Pflanzen rechtswidrig war. Aufgrund der Ausführungen musste die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt alle Vorwürfe gegen die Gärtnerei und zuletzt Ende Jänner auch gegen Kristen fallen lassen.
“Der Schlussfolgerung der Anklagebehörde, wonach bei lebensnaher Betrachtung schon der Anbau potenter Cannabispflanzen den auf Suchtgiftgewinnung gerichteten Vorsatz begründe, kann ohne weiteres Beweissubstrat in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden”, erkannte das OLG. Dies “käme einem generellen Anbauverbot derartiger potenter Cannabispflanzen gleich. Dem Gesetz ist jedoch ein generelles Aufzuchtsverbot von Cannabispflanzen, mag es sich auch um THC-haltige Sorten handeln, nicht zu entnehmen.”
Der Vorsatz der Suchtgiftgewinnung sei im gegenständlichen Fall nicht zu erkennen. Die für einen solchen Eventualvorsatz erforderliche Wissenskomponente des Beschuldigten – er muss es “ernstlich für möglich halten”, dass die Abnehmer THC aus den Pflanzen gewinnen – sei laut Gericht zwar zu bejahen. Die ebenfalls notwendige Wollenskomponente, nach der sich der Angeklagte auch damit abfindet, aber nicht. Dafür genügt schon ein Aushang im Geschäft, wonach sich die Kunden verpflichten, “die Pflanzen zu keinem gesetzwidrigen Zweck zu verwenden.”
“Im Rahmen dieser Grenzen gibt es daher Raum für legalen Cannabispflanzenanbau”, schlussfolgern die Richter.
Keine Rechtsmittel
Die Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Erkenntnis kein Rechtsmittel ergriffen. Das sei ein Novum, sagt Kristen. Bei früheren, ähnlich gelagerten Fällen fand sich die Anklagebehörde mit den Freisprüchen jeweils noch nicht ab und bekämpfte sie im Rechtszug.
Deshalb und wegen der wesentlichen Rolle des Oberlandesgerichtes als juristische Instanz Fall schätzt Kristen den aktuellen Beschluss als richtungsweisend ein. Er spricht von einem “Etappensieg” auf dem Weg zur finalen Rechtssicherheit: “Die Staatsanwaltschaft kann nicht mehr wegen des bloßen Verkaufs von Hanfpflanzen mit einem begründeten Anfangsverdacht argumentieren.” Bis auch der OGH diese Rechtsmeinung bestätigt, könne es laut Kristen nur mehr eine Frage der Zeit sein.