Tagesschau.de verkündet die aktuelle 26. BtM-Änderungsverordnung, mit der neue psychotrope Substanzen dem Verbot unterstellt werden. Gleichzeitig wird auf ein vermeitliches Wirken der Verbote laut Studie verwiesen. Der Führer der Studie sieht das allerdings anders.
So wird behauptet, der Konsum (30-Tage-Prävalenz) cannabinoidhaltiger Substanzen nach dem Verbot 2009 von drei Prozent auf ein Prozent zurück. Die Umfrage sei unter 15-18jährigen Personen durchgeführt worden.
Interessanterweise ist in der Folgestudie davon keine Rede mehr: Im Gegenteil, das eine Prozent wuchs auf zwei an. Auch sind 15-19jährige Personen nicht der Markt für die Hersteller der neuen psychotropen Substanzen, sondern eher Drogenerfahrene Personen, wie z.b. Clubgänger. Aber bleiben wir bei der Gegendarstellung von Herrn Dr. Werse, veröffentlicht im
Hanf Journal: Verdrehen, vertuschen, verschweigen wie folgt:
“Trotz alledem (der repressiven Maßnahmen; Anm. der Redaktion) hat sich die Anzahl derer, die Cannabis-Ersatzprodukte ausprobiert haben, erhöht. Insofern kann der generalpräventive Effekt des BtmG in diesem Fall stark in Zweifel gezogen werden. Grundsätzlich bin ich ohnehin der Meinung, dass dies nur äußerst bedingt der Fall ist. Zwar werden evtl. einige der potenziellen „Probierer“ durch die eingeschränkte Verfügbarkeit vom Konsum illegaler Drogen abgehalten, aber diejenigen, die explizit gewillt sind, zu konsumieren, kaum bis gar nicht. Insbesondere diejenigen, die bereits häufig, intensiv bzw. potenziell problematisch konsumieren, wissen in aller Regel zahlreiche Möglichkeiten, sich Drogen zu besorgen, bis hin zur Möglichkeit, durch den (dank der Prohibition ermöglichten) Weiterverkauf kleiner Mengen an andere Konsumenten den eigenen Konsum zu finanzieren. Insofern erfüllt das BtmG meiner Meinung nach hier nicht den spezialpräventiven Anspruch, Menschen vor schädlichen Konsummustern zu schützen, ein Anspruch, der sich in Wissenschaft und Praxis mittlerweile weitgehend zuungunsten der bloßen generellen Vermeidung des Konsums unerlaubter Substanzen durchgesetzt hat.“
MdB Frank Tempel (Die Linke) stellt daraufhin am 20.Oktober eine Kleine Anfrage zur Kritik von Dr. Werse:
„Inwiefern hält die Bundesregierung an der Position fest, dass durch das Verbot von „Spice“ durch das BtMG eine generalpräventive Wirkung erzielt wird (siehe Antwort zu Frage 1 Bundestagsdrucksache 17/6620), obwohl der Verfasser der Studie, auf die sich die Bundesregierung zur Begründung ihrer Position bezieht, in einem Brief vom 19.10.2011 an die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach erklärt, dass seine Studie von der Bundesregierung falsch interpretiert wurde und ein Rückgang des Konsums von „Spice“ nicht auf das Verbot zurückzuführen ist?“
Ich habe in dieser Sache die Redaktion der Tagesschau sowie die Studienführer an der Göthe-Universtität FFM angeschrieben. Man darf gespannt sein, ob sie den Absatz revidieren und eine Gegendarstellung veröffentlichen werden.
Update
Bei einem Bekannten von mir ist eine Antwort der Tagesschau Redaktion eingegangen:
Sehr geehrter Herr …
haben Sie vielen Dank für die Informationen, die in der Tat sehr hilfreich sind. Es ist schon ein interessanter Vorgang, dass “erneut” ein Wissenschaftler den Interpretationen seiner Studien durch die Bundesregierung widerspricht.
Was Ihre abschließende Frage nach einem möglichen Revidieren der Abschnitts betrifft, so sehe ich dies durch Ihren Hinweis allerdings nicht indiziert – und zwar aus zwei Gründen:
1. lässt sowohl der Absatz als auch der Link eindeutig erkennen, dass es sich um eine Interpretation der Bundesregierung handelt. Die Tagesschau macht sich diese Meinung also nicht zu eigen, sondern gibt sie nur wieder. Wir gehen davon aus und wissen aus Erfahrung, dass die meisten Leser kritisch genug sind und ausreichend Medienkompetenz mitbringen, um Informationen, die aus einer bestimmten Richtung kommen, kritisch zu hinterfragen – ich möchte ergänzen, insbesondere wenn sie aus der Politik kommen, die immer auch Interessen geleitet ist.
2. In der Wissenschaft ist es üblich, dass Studien unterschiedlich interpretiert oder dass es Gegenmeinungen auf Basis anderen Datenmaterials gibt. Ich denke, man kann generell sagen, dass es zu jeder These irgendwo auch eine Gegenthese gibt bzw. dass sie erarbeiten lässt.. Da das bereits die Lebenserfahrung zeigt, ist es meiner Meinung nach auch nicht nötig – gerade im Bereich der Nachrichten (sprich, der kurzen Informationsübermittlung) -, zu jeder Meinung immer auch die Gegenmeinung zu suchen.
Wie gesagt, bemerkenswert ist aber in der Tat, dass sich der Leiter der Studie anders positioniert. Dies könnte möglicherweise mal Gegenstand einer anderen Berichterstattung sein. Dann müsste man diesen angezeigten Widerspruch allerdings auch mal genauer hinterfragen.
Mit freundlichen Grüßen