ENCOD-BULLETIN ZUR DROGENPOLITIK IN EUROPA
DEZEMBER 2013
SCHNELLER ZUM UNVERMEIDLICHEN
Für Encod waren es drei arbeitsame Monate: von September bis November waren wir im Zuge der Aktion ‚Helfen Sie mit, den Krieg gegen Drogen zu beenden‘ auf Cannabis-Messen in Spanien, Österreich und Tschechien, außerdem beim High Times Cannabis Cup in Amsterdam.
Es zeigte sich, dass die Kampagne eine gute Möglichkeit war, sich mit Drogengesetzgebungsreform-Aktivisten aus ganz Europa und weiter her zu vernetzen und unsere Botschaft vielen Unternehmen und Bürgern zu vermitteln. Einfach gesagt: Jetzt, da das Ende des Drogenkriegs rasch in greifbare Nähe zu rücken scheint, müssen wir sicherstellen, dass bei neuen Regelungen und Gesetzen die Interessen des Normalbürgers an erster Stelle kommen. Was Cannabis angelangt, sollte jedes Gesetz den legalen Eigenanbau beinhalten. Das Recht, selbst „anzubauen“ soll Firmen und Unternehmen daran hindern, ein Monopol auf die Herstellung zu erlangen. Dass die Regierung von Uruguay das Recht auf Eigenanbau für eine begrenzte Anzahl von Cannabispflanzen für den persönlichen Gebrauch einräumt, ist eine gute Nachricht.
Julio Calzada, Leiter des Arzneimittelausschusses von Uruguay, überbrachte die bahnbrechenden Nachrichten auf der Expo Grow in Irun letzten September. Auf die monatliche 40g-Grenze angesprochen erklärte er, dass Patienten mehr Cannabis bekommen können, wenn nötig. Er fügte hinzu, dass die 40g-Grenze für Freizeitraucher dazu dienen soll, die Uruguayaner davon abzuhalten, „den ganzen Tag Löcher in die Luft zu starren.“ Einige Wochen danach gab Calzada den Preis bekannt, zu dem legales Cannabis in Uruguay verkauft werden wird: ein US-Dollar pro Gramm. Wie die britische Tageszeitung The Guardian berichtete, wird Uruguay „das erste Land der Welt, in dem der Verkauf von Cannabis nicht nur legal und vom Staat kontrolliert sein wird, sondern mit $1 pro Gramm wahrscheinlich auch das Land mit dem günstigsten Preis für Cannabis.“
Beim Cannafest in Prag bot sich die Möglichkeit, mehr über die Cannabisrevolution in den Vereinigten Staaten zu erfahren. Einer der Redner war Steve de Angelo, Geschäftsführer der größten Cannabisverteilstelle der Welt, dem Harborside Health Center in Kalifornien. In seiner Rede betonte er die Tatsache, dass die Legalisierung von Cannabis unvermeidbar sei und stellte eine Reihe interessanter Fragen: „Es ist keine Frage ob oder wann, dieser Prozess ist jetzt im Moment in den Vereinigten Staaten im Gange. Die Frage ist wie und wie die Branche dann aussehen wird. Wie werden wir Cannabis darstellen? Wie werden wir Cannabis vermarkten? Was werden wir unseren Kindern zu Cannabis sagen? Wie sieht verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis aus? Welche Organisationsformen sollten es verkaufen dürfen und wie? Wie und wo soll es angebaut werden? Welche Umweltkontrollen sollte es geben? Wie soll es verpackt, gekennzeichnet werden? Sollte es geprüft werden und auf was? Sollte es ökologisch angebaut werden? Was bedeutet das? Alle diese Fragen werden im Moment geklärt. Wir sind Zeugen der Geburt einer komplett neuen legalen Branche in den Vereinigten Staaten.“
Ein anderer amerikanischer Redner, Doug Fine, Autor der Pflichtlektüre „Too High To Fail: Cannabis and the New Green Economic Revolution“, startete seine dreiwöchige Europa-Lesetour auf dem Cannafest. Er ist vollkommen überzeugt, dass die Cannabisprohibition in fünf Jahren Geschichte sein wird. „Wir können diesen Unsinn nicht mehr mitmachen, dass wertvolle Polizeiressourcen für die Ausrottung einer Pflanze verwendet werden, die weniger gefährlich ist als Alkohol,“ sagte er seinem Publikum in Prag. Fine verkündete seine Botschaft der kommenden Epoche des Drogenfriedens in fünf Ländern: auf neun Veranstaltungen in Tschechien, England, Irland, Belgien und den Niederlanden. Im Gespräch über die Rückschläge in Europa wie etwa das Vorgehen gegen Growshops in Tschechien in der Woche vor dem Cannafest meinte er, dies seien Beispiele für „die Drogenkrieger, die auf dem Rückzug noch den Hafen verminen.“ Mit anderen Worten: letzte verzweifelte Versuche von Politikern und Strafverfolgern, die wissen, dass sie den Drogenkrieg verloren haben, aber so viele Probleme und Verzögerungen verursachen möchten wie möglich.
Für Europa sind die monumentalen Veränderungen in den Vereinigten Staaten und in Uruguay aus mehreren Gründen gute Neuigkeiten. Zuerst einmal beweisen sie, dass Regulierung und sogar Legalisierung möglich sind, trotz internationaler Drogenabkommen. Zum Zweiten werden diese Veränderungen zeigen, dass eine Regulierung illegaler Drogen im Vergleich zur Prohibition auf allen Ebenen besser abschneidet. Und zuguterletzt sind die Vereinigten Staaten nicht mehr der Taktstock der internationalen Drogenpolitik. Wie Doug Fine sagte: „Wir haben den Drogenkrieg angefangen – dafür entschuldige ich mich –, aber wenigstens beenden wir ihn jetzt.“ Wir haben miterlebt, wie sich die Debatte über das Cannabisverbot in Belgien, Großbritannien und den Niederlanden in letzter Zeit aufgeheizt hat, und wie sich mehr und mehr Wissenschaftler, Gesundheitsexperten und (lokale) Politiker aktiv für eine Regulierung oder Legalisierung eingesetzt haben.
Bei der Encod-Hörung im Europäischen Parlament am 6. Dezember werden Aktivisten aus ganz Europa die Kampagne für die Europawahlen im Mai nächsten Jahres diskutieren. Wir werden auch über die Encod-Aktion bei der UNODC in Wien im März 2014 diskutieren. Wenn wir das unvermeidbare beschleunigen und den Drogenkrieg wollen, dann brauchen wir eine gesunde, wachsende Organisation. Wenn Sie also noch kein Encod-Mitglied sind, warum nicht jetzt Mitglied werden!? Und wenn Sie schon Mitglied sind, dann überzeugen Sie doch Freunde und Bekannte, mitzumachen. Zusammen können wir den Drogenkrieg beenden und auf eine gerechte und wirksame Drogenpolitik in Europa hinarbeiten.
Von Derrick Bergman