ENCOD-BULLETIN ZUR DROGENPOLITIK IN EUROPA
Oktober 2014
Zeit, erwachsen zu werden
Vom 26. bis 28. Juni fand die Encod-Mitgliedervollversammlung in Goricko, Slowenien statt. Aus 7 Ländern nahmen 23 Aktivisten teil, die sich alle für die Rechte von KonsumentInnen und ErzeugerInnen einsetzen und eine Drogenpolitik unterstützen, die der Gesellschaft als Ganzem dient.
Der Weg nach Goricko ist lang und kurvenreich, aber das Ziel macht alles wieder wett. Das Art Center ist umgeben von herrlichen Wäldern und Feldern und durch die Grenznähe zu Ungarn – dem ehemaligen Eisernen Vorhang – fühlt man sich wie im Niemandsland, das perfekte Ambiente für eine Encod-Vollversammlung.
Am ersten Tag hörten wir von Beobachtern der Drogenpolitik aus mehreren Ländern Berichte zur Situation. Wir wählten ein neues Mitglied des Vorstands, da jetzt sowohl David Rosse als auch Has Cornelissen aus persönlichen Gründen zurückgetreten sind. Ab sofort wird Elina Hanninen von HPP, Finnland, das Leitungsteam bestehend aus Derrick Bergman, Enrico Fletzer und Janko Belin unterstützen. Der letzte Vorschlag von Has Cornelissen, unsere Sponsorenakquise auf ausgewählte große US-Unternehmen und Organisationen auszuweiten, die sich für eine Reform der Drogenpolitik einsetzen, wurde angenommen.
Am zweiten Tag ging es mit einem Überblick über den Status von Cannabis Social Clubs los. Wir erfuhren, dass neben Spanien und Belgien, wo CSCs legal betrieben werden, in Österreich, Frankreich, Italien, Slowenien und den Niederlanden konkrete Initiativen für Gründungen von CSCs im Gange sind. In Österreich, wie in UK und Deutschland sind CSCs bisher lediglich politische Initiativen, die Aktivisten auf ein konkretes Ziel zu vereinen, das auch die Unterstützung der Öffentlichkeit gewinnen könnte. In Frankreich schlug ein erster Versuch, einen legal mit den Behörden geregelten CSC einzurichten 2013 fehl, aber das hat Aktivisten im ganzen Land nicht daran gehindert, das Konzept als Werkzeug zu begreifen, mit dem ein kleiner geschlossener Kreislauf geschaffen und somit der Schwarzmarkt vermieden werden könnte. Französische Aktivisten stellten enthusiastisch ihre Software „Bud Revolution“ zur Verwaltung eines CSC vor.
Auch in Italien gibt es ein paar heimliche Cannabis Social Clubs, aber es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich eine der Gruppen sich öffentlich „outet“ und einen Rechtsstreit anfängt, um das Cannabisverbot zu kippen. In Slowenien gibt es zwei öffentliche Gruppen, die als Cannabis Social Club betrieben werden, aber ihr rechtlicher Status ist nicht genau festgemacht. Schließlich haben in den Niederlanden mehrere Gruppen angekündigt, dass sie ein CSC-Konzept ausarbeiten wollen, das die Unterstützung der Stadtverwaltungen von Utrecht und, vielleicht bald auch, Amsterdam gewonnen hat.
Vor allem die Clubs, die ohne Genehmigung der Regierung betrieben werden, scheinen davon zu profitieren, dass eine europaweite Koordinierung das Konzept legitimiert. Encod kann kein Vermittler zur Zertifizierung und Überwachung von Cannabis Social Clubs sein, aber wir können bestehende und zukünftige CSCs auf mehreren Wegen unterstützen.
Zuerst durch die Bereitstellung von Erfahrungen, Ideen, Tools wie auch anderen Dingen, die zur Gründung eines CSC nützlich sein können. Wir wollen mithilfe von Anwälten und Jurastudenten aus ganz Europa die juristische Verteidigung von CSCs erarbeiten und verbessern. Und wir planen eine Informationskampagne, um das im Ehrenkodex formulierte Konzept Cannabis Social Club klar darzustellen. Dabei wird vor allem der gemeinnützige Charakter von CSCs betont.
Wir werden die Webseite über europäische CSCs aktualisieren, die Richard Rainsford, ein deutsches Encod-Mitglied, vor ein paar Jahren erstellt hat. Alle Clubs, die dort aufgeführt sind, erklären, dass sie sich an den CSC-Ehrenkodex halten. Wir ziehen die Einrichtung einer „Ombudsstelle“ in Betracht, an die sich einzelne Mitglieder eines CSC wenden können, wenn sie der Meinung sind, ihr Club hält sich nicht an den Ehrenkodex.
Zu den Verpflichtungen eines CSC gehört auch die Unterstützung der (inter-)nationalen Aktivisten, da es ohne diese nie so weit gekommen wäre. Encod schlägt einen festen Beitrag von jedem CSC von 2 Euro pro Mitglied pro Jahr vor, der zwischen nationalen und internationalen Aktivistengruppen aufgeteilt wird.
Cannabis Social Clubs sind jedoch nicht das einzige, womit sich Encod beschäftigt. Ein Ziel vor unseren Augen ist die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Juni 2016, wo ein fundamentaler Durchbruch in der Geschichte der UN-Übereinkommen zu Drogen erwartet wird. Statt auf Repression zu beharren sollten die Vereinten Nationen lieber auf Aufklärung setzen: auf Achtung der Menschenrechte und -würde, Nachhaltigkeit und auf den Schutz der Gesundheit. Die Zeit, als globale Gemeinschaft erwachsen zu werden, ist gekommen, die Jahre des blinden Gehorsams sind vorbei.
In den kommenden Wochen werden wir die Drug Policy Alliance und andere Organisationen in New York kontaktieren und ihnen unsere Mitarbeit bei den Vorbereitungen einer öffentlichen Veranstaltung anbieten, die die Entscheider auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen auf den richtigen Weg drängen soll. Wir hoffen, dass hunderte Aktivisten aus Europa und von anderen Kontinenten teilnehmen. Es bildet sich eine Arbeitsgruppe, die diese Initiative weiter verfolgt und auch die Teilnahme von Encod bei der Suchtstoffkommission in Wien im März 2015.
Unterdessen möchten wir die 18 MdPs, die das Encod-Manifest für sichere und gesunde Drogenpolitik unterzeichnet haben, als Unterstützer dafür mobilisieren, den zehn Jahre alten Catania-Bericht als jüngste Empfehlung zur Drogenpolitik durch das Europäische Parlament an die EU wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Wir stehen zurzeit mit dem Sekretariat der Grünen im EP in Kontakt, um eine geeignete Strategie zur Erreichung dieses Ziels herauszufinden.
Schließlich hat die französische Delegation angeboten, die nächste Vollversammlung in Südfrankreich auszurichten – Daten und Veranstaltungsort werden im Januar bekannt gegeben.
Text: Joep Oomen
Photos: Gonzomedia