Scheingesten
Die Ablehnung der europäischen Verfassung durch die Mehrheit der französischen und niederländischen Wähler im Juni 2005 war eine wichtige Lektion für die politischen Führer der Europäischen Union. Bis dahin dachten diese, eine Union zwischen Ländern sei eine Angelegenheit von Sitzungen und Buffets. Um das europäische Projekt zum Erfolg zu führen, müssen die EU-Bürger überzeugt werden, dass eine Kooperation zur Bewältigung der Aufgaben von morgen notwendig ist. Wenn Autoritäten nicht in der Lage sind, Bürgern im Entscheidungsprozess Gehör zu verschaffen, wird dieses Projekt ein verzweifelter Fehlschlag werden. “Brüssel” wird weiterhin ein Synonym für einen extrem großen, überaus ineffizienten und unnötig bürokratischen Riesen sein.
Dialog
Der Dialog mit der Zivilgesellschaft zur Europäischen Drogenpolitik verkommt zu einem traurigen Beispiel der Art und Weise, wie sich das offizielle Europa in selbst erbauten Elfenbeintürmen versteckt, Meilen über grauen Nebelwänden, komplexe, dauernd im Wandel begriffene Entscheidungsprozesse anwendend, bei denen selbst Experten nicht mehr mithalten können und der einfache Steuerzahler schon gar nicht.
Die politischen Lösungen gehen uns aus. Seit 1986 machten die Europäischen Autoritäten deutliche Zusagen in einen ernsthaften und offenen Dialog mit in der europäischen Drogenpolitik engagierten Bürgern zu treten. Um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen:
“Es sollte eine Strategie entwickelt werden, die Kooperation mit der Zivilgesellschaft im Bereich Drogen zu verstärken” (Halbzeitevaluation des EU Drug Action Plan 2000-2004, Oktober 2002).
“Im Hinblick auf ein ausgewogenes Konzept zur Bewältigung des -Drogenproblems ist es auch erforderlich, dass ein breites Spektrum wissenschaftlicher Einrichtungen, von Fachleuten, repräsentativer NGOs, der Bürgergesellschaft und lokaler Gemeinschaften angemessen konsultiert wird.” (EU-Drogenstrategie 2005-2012, Dezember 2004)
“2007 wird ein Budget erstellt werden, dass dazu dienen soll, die Bemühungen zu vereinfachen, die Belange der Bürger und ihrer Organisationen in die europäische Politik und Strategie einfließen zu lassen.” (Die abschließende Worte von Francisco Fonseca, Vertreter der Europäischen Kommission, auf der Konferenz “Civil Society and Drugs”, Januar 2006).
Das Budget, so wurde uns während eines Besuchs bei der Anti-Drogen-Koordinationsgruppe der Europäischen Kommission am 6. November 2006 erzählt, würde ab September 2007 zur Verfügung stehen. Eine endgültige Zustimmung würde im April 2007 durch die Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten, gegeben werden. Das ist nicht passiert. Es wird so bald auch nicht geschehen, aufgrund von “Uneinigkeiten über bestimmte Punkte des Vorschlags”, wie uns die Europäische Kommission am 19. April mitteilte.
In der Zwischenzeit herrscht weiter Rätselraten über die Gründe dieser Uneinigkeit, welche zu einer erneuten Verzögerung in einem schon 20 Jahre währenden Prozess führen können.
Das ist keine Frage des Geldes. Obwohl etwas Unterstützung für unsere Organisation willkommen wäre – NGOs sollten ihr Überleben niemals von staatlicher Unterstützung abhängig machen. Unser wirkliches Augenmerk liegt darauf, dass in der offenen und demokratischen Gesellschaft die Europa vorgibt zu sein, betroffene Bürger als vollwertige Partner im offiziellen, legislativen Prozess akzeptiert werden sollten.
Es geht um einen ernsthaften Dialog zwischen Staatsdienern und Politikern auf der einen Seite und Vertretern von Interessengemeinschaften von Drogenkonsumenten, ihren Angehörigen, Wissenschaftlern, Angestellten im Gesundheits- und Sozialdienst, dem kommerziellen Sektor und anderen Akteuren auf der anderen Seite. Mit einem einzigen Ziel: Die Effizienz der Drogenpolitik in Europa zu erhöhen.
Je länger die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten den Dialog verschieben, umso lauter wird der Ruf nach einer Alternative werden. Es ist an ENCOD diese Alternative zu entwickeln, in Kooperation mit anderen europäischen Gruppen und natürlich dem Europaparlament, welches bisher die Möglichkeit eines echten Dialoges über Drogenpolitik unterstützt hat.
Manchmal funktionieren direkte Aktionen besser als konventionelle Methoden. “Cannabis Social Clubs” wie Pannagh in Spanien und “Trekt Uw Plant” in Belgien sind kleine aber signifikante Schritte in dem Kampf Cannabis und andere Drogen in der europäischen Gesellschaft zu normalisieren. Am 25. April wurden Pannagh die Pflanzen zurückgegeben, die im Oktober 2005 im Rahmen einer Polizeiaktion gegen Pannaghs gemeinschaftliche Plantage konfisziert wurden. Ein lokaler Richter urteilte, dass Pannagh als legale Vereinigung anzusehen sei und dass die Pflanzen zurückgeben werden müssen. Am selben Tag hat “Trek Uw Plant” einen moralischen Sieg in Antwerpen gewonnen, als die Anschuldigung der Bildung einer “kriminellen Vereinigung” fallen gelassen wurde. Die 6 bei Mitgliedern von “Trek Uw Plant” bei deren Verhaftungen gefundenen Pflanzen sind nach Meinung des Richters weiter illegal, die Gruppe wird dieses Urteil jedoch anfechten.
Auf der Vollversammlung von ENCOD am 22., 23. und 24. Juni in Antwerpen werden diese und andere Strategien zur direkten Aktion ausführlich diskutiert werden. Alle Mitglieder sind mehr als willkommen.
englisches Original von: Joep Oomen (mit der Hilfe von Peter Webster) – encod.org