ENCOD BULLETIN ZUR DROGENPOLITIK IN EUROPA Nr. 49 – März 2009
Die Geschäfte mit Drogen laufen gut, trotz Krise
Die Wirtschaftskrise wird schlimmer und schlimmer. Als Folge werden mehr Drogen konsumiert. Zudem werden mehr und mehr Leute arbeitslos und versuchen ihr Glück mit illegalen Geschäften.
Dass in Wirtschaftskrisen die Leute gerne mehr Genussmittel konsumieren und Partys feiern, um zu vergessen, ist quasi ein Naturgesetz. Dass dabei Repression und Verbote durch die Obrigkeit wirkungslos sind, ebenso. Ein schönes Beispiel dafür ist Al Capones Chicaco.
Es besteht jedoch eine Kehrseite: weil es kaum mehr neue legale Jobs oder Märkte für den Verkauf der erzeugten Produkte mehr gibt, werden viele Leute in die Illegalität getrieben. So werden automatisch auch mehr Drogen hergestellt, transportiert und verkauft. Die Kleinen werden gejagt werden, und die Mafiabosse werden die Riesengewinne einstreichen. Gleichzeitig wird die Ordnungsmacht aufgerüstet werden, und es werden noch mehr Steuergelder vergeudet.
Geldverschwendung
Encod hat sich immer gegen den Krieg gegen Drogen ausgesprochen.Wie sinnlos er ist, lässt sich auch an den dabei ausgebenen Geldern ermessen. So hat eine Studie von Dr. Jeffrey Miron, Gastprofessor an der Uni Harvard folgendes ergeben: Nur schon für den Kampf gegen Marihuana werden in den USA pro Jahr 7,7 Milliarden Dollar verwendet; Gelder, welche besser verwendet werden könnten. Nimmt man dann noch entgangene Steuern dazu, welche, ähnlich der Alkohol- oder Tabaksteuer, in die Staatskasse fliessen könnten, so werden, allein in den USA, nochmals 6,2 Milliarden Dollar verschleudert. Dass mit diesen knapp 14 Milliarden Dollar viel sinnvollere Dinge unterstützt werden könnten, ist offensichtlich. Dieser Missstand hat bekanntlich über 530 US-Ökonomen, darunter z.B. drei Nobel-Preisträger, wie Milton Friedman dazu gebracht, in einem offenen Brief an die US-Regierung, ein Ende der Marihuana-Prohibition zu fordern. (http://www.prohibitioncosts.org/). Eine ähnliche Summe wird übrigens auch in Europa verschwendet.
Andererseits genügen diese Riesensummen in keiner Weise: So spricht der neue Jahresbericht des Internationalen Suchtkontroll-Rates (INCB) davon, dass viel zuwenig in die Drogenprävention investiert werde. Schliesslich wollen all die Schlipsträger gefüttert werden. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass Armut und Not der Hauptmotor im Drogenbusiness sind. Dazu erkenne sie auch dass viel zu wenige menschen Ihre schmerzen überhaupt lindern könen. http://www.incb.org/incb/en/annual-report-2008.html
Not macht kreativ
Erste Auswirkungen der Wirtschaftskrise sind zum Beispiel bereits in der europäischen Hanfszene zu beobachten: Viele Leute bemühen sich wieder um einen Nebenerwerb und steigen ins Cannabis-Geschäft ein, sei dies als Pflanzer oder als Händler. Auf dem Schwarzmarkt ist das Angebot wieder viel grösser und breiter geworden. All dies geschieht trotz, oder gerade wegen, der laufenden Hexenjagd gegen alle Genussmittel, verbotene oder noch legale wie Tabak, Alkohol usw. Gleichzeitig beginnen auch viele mit der Produktion ihres Eigenkonsums, um Geld zu sparen.
So vermelden erste Berichte von der Spannabis aus Barcelona, dass glänzende Geschäfte gemacht worden seien. Das wird wohl vom 1. bis 3. Mai an der Cannatrade (neu in Basel) und vom 29. bis 31. Mai in Bologna an der Cannabis Tipo Forte ähnlich sein.
Für Encod ist diese Situation zweischneidig. Klar man sich daran freuen, dass durch das, wegen der Krise, grössere Angebot und die grössere Anzahl der daran beteiligten Leute der Krieg gegen Drogen ad absurdum geführt wird. Gleichzeitig wird dies jedoch mehr Repression verursachen, welche „die kleinen Fische“ noch mehr leiden lässt, hier in Europa, aber noch viel stärker in den armen Ländern. All dies entspricht in keiner Weise den Prinzipien von Encod, nämlich sich für vernünftigen Konsum von unter fairen und legal Bedingungen produzierten Drogen einzusetzen.
Dass es auch anders geht, zeigt folgende Neuigkeit: die amerikanische DEA (Drug Enforcement Agency) verfolgt offensichtlich nicht mehr Cannabis Social Clubs in jenen Bundesstaaten, welche diese Clubs erlaubt haben. Ist dies der Beginn eines Tauwetters in der Washingtoner Drogenpolitik? http://stopthedrugwar.org/chronicle/574/attorney_general_holder_no_more_DEA_medical_marijuana_raids
Offener Brief an König von Marokko
Seit dem 17. Februar sitzt in Casablanca Chakib al Khayari im Gefängnis. Der Menschenrechtsanwalt, welcher sich für die traditionelle Stammeskultur im Rif-Gebirge mit ihrem Hanfanbau einsetzt, hatte die Korruption lokaler Beamter angeprangert. Er sollte als Gast und Delegierter im März in Europa als NGO-Vertreter an verschiedenen Konferenzen berichten, was offenbar verhindert werden soll. Es gibt einen offenen Brief an den König von Marokko, welcher seine Freilassung fordert. https://encod.org/info/BRIEF-AN-DEN-KONIG-VON-MAROKKO.html
André Fürst