ENCOD Bulletin zu Drogenpolitik in Europa
Nr. 81 November 2011
ZEIT ZU HANDELN
Was haben Freude und Schmerz gemeinsam? Die derzeitige Politik gegenüber Drogen. Die Verbote – die Prohibition – haben Millionen von Menschen auf ihre Knie gezwungen und ganze Gesellschaften leiden lassen. Es ist an der Zeit, diese bestrafenden Ansätze mit einer neuen Form des Umgangs mit Drogen und Drogenpolitik zu ersetzen.
Zum Ende des Jahres 2011 scheint es, als ob die Werte, die wir seit vielen Jahren kannten, sich komplett veränderten. Die Finanzkrise ist eine Gelegenheit geworden, viele ineffektive Vorgänge in dem politischen System über Bord zu werfen – unter anderem die Drogenpolitik. Es ist nun absolut klar, dass diese Politik nicht auf den Grundsätzen von Wissenschaft und Technik beruht, sondern auf dem Verlangen, ein strafendes Kontrollsystem gegenüber bestimmten Formen der Freude einzusetzen und zu erhalten.
Ja, Freuden! In der Hitze des Diskurses über Drogenpolitik haben wir komplett die fundamentale Wahrheit ignoriert. Es scheint, als ob einige Personen anderen ihre Freude nicht erlauben wollen, auch wenn diese Einstellung Leid und Krieg erzeugt.
Es ist nun an der Zeit zu Handeln. Es ist global klar geworden, dass die derzeitige Drogenpolitik umdefiniert werden muss. Bis jetzt waren es vor allem ehemalige Politiker, die sich für eine Änderung in der Rechtsprechung einsetzten. In den vergangenen Wochen hat der amtierende Präsident von Kolumbien damit angefangen. Aber diese Botschaften stehen Problemen gegenüber. Die seit langem anhaltenden Vorurteile gegenüber Drogenkonsumenten im allgemeinen, die durch öffentliche Aktoren und sogar Nicht-Regierungsorganisationen vertreten werden, die sich selbst einen “ganzheitlichen” Anstrich geben, stärken den Eindruck dass einzig und alleine nur die Prohibition die Lösung wäre.
Während der 6. Sitzung des Bürgerforums zu Drogenpolitik in der EU, welches vom 10.-12. Oktober in Brüssel abgehalten wurde, kam es genau wegen diesem fundamentalen “Bruch” zwischen den Ansätzen in der Drogenpolitik, zu keinem Konsens. Diese Ansätze basieren auf total unterschiedlichen Konzepten. Der Hauptgrund der Missverständnisse ist, dass die Prohibitionisten-NROs einfach nicht verstehen können, dass jemand entscheidet, Drogen zu konsumieren, und dies in einer verantwortlichen Weise.
Für diese NROs ist Drogenkonsum eine Krankheit oder ein Zustand, der nicht auftreten soll. Sie verweigern sich einfach, den Personen zuzuhören, welche ihnen erklären wollen, dass ihr Hauptgrund für den Drogenkonsum ist, das Leben mehr zu genießen – und für einige, erträglicher zu machen. Sie verschließen ihre Augen und Ohren, wenn Fakten präsentiert werden, dass Cannabis und andere Drogen extrem wertvoll sind um Krankheiten zu behandeln oder ihnen vorzubeugen.
Die prohibitionistischen NROs repräsentieren eine kleine Minderheit von Personen, die sich um das Drogenthema bemühen. Sie wurden absichtlich durch die Europäische Kommission ausgewählt um an dem zivilgesellschaftlichen Forum teilzunehmen, und zu verhindern, dass das Bürgerforum irgendeinen Konsens erzielt. Damit kann die Kommission ihr “Teile und Herrsche” weiterführen, sie sendet Botschaften wie ‘Weiter zu einer stärkeren Antwort auf Drogen‘. In dieser Voransicht der angekündigten EU-Drogenstrategie von 2013-2020 verspricht die Kommission die Regeln zu stärken, von denen sie weiß, dass sie nicht funktionieren. Davon zeugt der Untersuchungsbericht von Reuter und Trautmann, welcher von der Europäischen Kommission 2010 veröffentlicht wurde. Auf der anderen Seite zeigen Studien die monetären Einkünfte, welche durch eine Kombination von Entkriminalisierung von Drogen (was eine signifikante Reduzierung der Strafverfolgung zur Folge hätte) und einer legalen Regulierung des Cannabismarktes in der EU bringen würde: Geschätzt zwischen 35 und 60 Milliarden Euro. Die Brüsseler Bürokraten interessiert das nicht. Ihr einziger Zweck ist der verschwenderische und schädigende Status Quo.
Die derzeitige globale Krise ist vor allem eine Krise der Werte. Wenn wir die Welt in Ordnung bringen wollen, müssen wir unsere Ansätze in generellen Angelegenheiten ändern. Es ist Zeit für den Ruf nach einer Gesetzesnovelle im Drogenrecht. Politik und Strafverfolgung müssen – wenn es um Drogen geht – so geändert werden, dass sie wirklich den Menschen hilft. Es fängt damit an, dass die neuen Regeln auf Fakten basieren und nicht auf dem Verlangen, zu unterdrücken.
In meinem eigenen Land, Slowenien, gehen große Änderungen vor sich. Am 15. Oktober haben diverse Gruppen, Individuen und NROs den Platz in Ljubljana besetzt, an dem die Börse steht. Kurze Zeit darauf haben Sozialarbeiter und Studenten von der Fakultät für soziale Wissenschaften angefangen, Workshops zu organisieren. Einer der Workshops wurde “Auflösung der Prohibition” genannt. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden gesammelt und in einem “Manifest für neue Drogengesetze in Slowenien” zusammengestellt. Am 27. Oktober haben wir dieses Manifest dem Minister für Gesundheit, Herrn Marušič, übergeben.
Ein weiterer Teil des Protestes war ein Smoke-In. Es wurde nicht durch die Polizei gestört. Sie waren vor Ort, aber hielten sich zurück. Unsere Forderung gegenüber den Gesetzesmachern ist, die Nutzung von Drogen zu entkriminalisieren und alle Sanktionen gegenüber Personen aufzuheben, die in der Vergangenheit Justizopfer wurden wegen dem Drogenkonsum oder Besitz von geringen Mengen. Die Würde muss den Personen, welche durch die Drogenprohibition marginalisiert wurden, zurückgegeben werden. Sie müssen in ihre Gemeinschaften integriert werden.
Wir rufen alle Aktivisten und Praktizierende in dem Feld der Drogenpolitik auf, die Änderungen in den Gesetzen aktiv zu unterstützen. Es ist nun an der Zeit, die Welt umzudefinieren.
Von: Janko Belin (mit der Hilfe von Peter Webster)