Der ENCOD Vorstand hat am 20. November 2009 den folgenen Brief an die Mitglieder des Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlamentes geschickt. Wir möchten dich auffordern, selbiges zu machen. Die E-Mailaddressen der Ausschussmitglieder findet sich auf folgener Webseite
Aufruf an die Mitglieder des Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlamentes
Brüssel, den 20. November 2009
Wertes Mitglied des europäischen Parlamentes,
Hiermit möchten wir, die Mitglieder der Europäische Koalition für eine gerechte und effektive Drogenpolitik (ENCOD), einer transeuropäischen Plattform von Nicht-Regierungsorganisationen und einzelnen Personen, die in der Drogenthematik tätig sind, Ihre Aufmerksamkeit auf eine dringende Angelegenheit lenken.
Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Europäische Kommission die Dialogmechanismen mit der Zivilgesellschaft manipuliert und unterminiert. Weiterhin werden Gelder, welche für genau diese Gespräche mit der Zivilgesellschaft von dem Europäischen Parlament vorgesehen waren, missbraucht um Initiativen „von oben herab“ durchzuführen, nach denen außerhalb der Europäischen Kommission niemand gefragt hat.
Konkret beziehen wir uns auf die Art und Weise, mit in der die Drogenkoordinationseinheit des Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit mit dem sogenannten „Zivilgesellschaftlichen Forum zu Drogenpolitik der in EU“ (im folgenen „CSF“ genannt) umgegangen wird.
Nach jahrelanger Anstrengungen in schriftlicher und mündlicher Form durch den Rat der Europäischen Union und durch die Kommission wurde im Dezember 2007 das sogenannte „Zivilgesellschaftliche Forum“ geschaffen, um konkrete Mechanismen für den Dialog mit europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen im Feld der Drogenpolitik zu etablieren. Dieses Forum besteht aus den Repräsentativen von 26 Organisationen, die durch die Kommission in einem eher obskuren Auswahlverfahren ausgewählt wurden.
Das Ziel des Forums soll – nach Angaben auf der Website der Kommission
– sein den informellen Austausch und die Eingaben der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu drogenbezogenen Aktivitäten, Regelungsvorschlägen, Regelungsimplementationen und Prioritäten der EU Drogenstrategie und dem EU Aktionsplan Drogen zu erhöhen.
Das Europäische Parlament hat in ihrem Bericht zum CSF im März 2008 darauf bestanden, dass der Zweck des zivilgesellschaftlichen Forums die „Stärkung der Rolle, welche die bürgerliche Gesellschaft in dem Entstehungsprozess einer Drogenpolitik mit europäischen Ansatz, deren Hautpziele die EU Drogenstrategie 2005-2012 ist, spielt.“ Das EP hat weiterhin darauf hingewiesen, dass „Drogenpolitik auf fundierten wissenschaftlichen, in Kooperation mit der Bürgergesellschaft in dem Feld der drogenbezogenen Forschung, gewonnen Erkentnissen basieren muss, um faktenbasierte Regelungen zu finden und evidenzbasierte, inklusive der Präventiven und Schaden für die Gesundheit reduzierende, Aktivitäten durchzuführen.“
Das CSF wurde bisher dreimal durchgeführt. Jedesmal waren es ein und ein halber Tag in Brüssel (Dezember 2007, Mai 2008 und März 2009). In keiner dieser Sitzungen war es möglich, über die Drogenpolitik der Europäischen Union zu diskutieren. Dies passierte wegen dem Eingreifen der Repräsentativen der Europäischen Kommission der Drogenkoordinationseinheit (im folgenen „DCU“ genannt), welche das Monopol auf die Vorbereitung der Tagesordnung und die Moderation haben. Jeder Versuch der Teilnehmer, die Auswirkungen der aktuellen Drogenpolitik und möglicher alternativer Regulationsysteme auf die Tagesordnung zu setzen, wurde durch die DCU Repräsentanten abgelehnt. Anstelle dessen bestanden die CSF Sitzungen aus mehr oder weniger unstrukturierten Informationsaustausch ohne eine klare Agenda oder Nachbereitung. Dies führte zu einer steigenden Frustration bei den Teilnehmern.
Anfang September 2009 hatte der Vorstand von ENCOD ein Treffen mit Repräsentanten der DCU. Die Antwort auf unsere Frage, warum eine Diskussion zu Drogenpolitik/Regelungen im Rahmen der CSF unmöglich seien, von den Repräsentanten der Kommission war, dass sie nur ein begrenztes Mandat auf dem Feld der Drogenpolitik hätten und es bei den Mitgliedsstaaten läge, autonom zu entscheiden welche Politik sie verfolgten.
In dem Entstehungsprozess des CSF (was Konferenzen, die Publikation eines Grünbuches sowie eines länglichen Auswahlverfahren seit Januar 2006 mit sich zieht) wurde dieses Argument niemals genannt.
Es ist unsere Meinung, dass dieses formale Argument durch die Kommission genutzt wurde, um die Debatte über diesen kritischen Teil der europäischen Politik zu umgehen. Damit wurde das Prinzip des verantwortungsvollen Regierens verletzt. Es wurde die Illusion geschaffen, dass die Europäische Union an einem aufrichtigen Dialog zur Drogenpolitik mit den Bürgern interessiert wäre. Dann aber ist dieser Dialog auf einen teuren „Chatraum“ für ausgewählte Repräsentanten, die nach Brüssel geladen wurden, reduziert. Damit hat die Kommission vorsätzlich und willentlich den Sinn und Zweck des Dialogs unterminiert.
Weiterhin ist bei unserem Treffen mit der Kommission klar geworden, dass es der DCU nicht möglich ist, klare Aussagen über den Geldfluss, der für das zivilgesellschaftliche Forum nötig war, zu machen. Das Geld ist aus dem Budget für Informationen und Prävention im Drogenbereich, welches 2007 vom Europäischen Parlament zur Verfügung gestellt worden ist. Bei dem dritten Treffen des CSF im März 2009 haben DCU Repräsentanten verkündet, dass die CSF mit einem jährlichen Budget von etwa 100.000 Euro arbeitet, was genug für zwei Treffen im Jahr wäre. Zum gleichen Zeitpunkt wurde gesagt, dass das nächste CSF Treffen erst 2010 gehalten würde.
Als wir Klärung in dieser Sache suchten, haben uns DCU Repräsentanten via E-Mail geantwortet, dass die restlichen Gelder für das CSF ab Ende Mai 2009 für die Europäische Aktion Drogen (EAD), einer Propagandakampagne „gegen die Gefahren von Drogen“, verwendet würden. Diese Kampagne wurde durch die französische Präsidentschaft Ende 2008 vorgeschlagen und durch die Europäische Kommission ohne irgendeine Rücksprache mit zivilgesellschaftlichen Organisationen entworfen. Als die „Europäische Aktion Drogen“ auf dem letzten Treffen des CSF im März 2009 vorgestellt wurde, ist sie sie fast einstimmig von den Teilnehmern, die ihre Empörung über die fehlende Professionalität zum Ausdruck brachten, abgelehnt worden.
Im März 2009, nur einen Tag vor der Eröffnung des Treffens der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen, hat die Europäische Kommission den „Bericht über den globalen illegalen Drogemarkt 1998 – 2007“ (der Reuter-Trautmann Bericht) präsentiert. Dieser Bericht enthält wertvolle Daten und Schlüsse, die andere Auswertungen zu Drogenpolitik in der EU in den letzten Jahren bestätigen. Diese Schlüsse sind, dass die jetzige Politik in vielen ihrer Ziele fehlschlägt: Zum Einen die Nachfrage und das Angebot von illegalisierten Drogen zu reduzieren. Zum Anderen das Anerkennen, dass die Politik ein kritischer Faktor bei der Erzeugung und Verstärkung von Schäden durch den individuellen Drogengebrauchenden, ihrer direkten Umgebung sowie der Gesellschaft als ganzes, ist.
Die Autoren des oben genannten Berichts wurden nicht angewiesen, irgendwelche Empfehlungen zu produzieren. Den DCU Repräsentanten zufolge enthalte der Bericht „nicht ausreichend Daten um eine ‘Auswertung’ genannt zu werden“. Damit scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Bericht als Resultat eines Jahres wissenschaftlicher Forschung an allen verfügbaren Daten zum Drogenphänomen in der EU, sehr bald vergessen sein wird.
Wir glauben, dass der Reuter-Trautmann Bericht auf dem zivilgesellschaftlichen Forum zu Drogen diskutiert werden sollte. Weiterhin möchten wir Sie hiermit formell Einladen, an unserer Petition an die Europäische Kommission, eine Diskussion über den Bericht auf die Agenda des kommenden CSF zu setzten, teilzunehmen. Ausserdem glauben wir, dass auch der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres die Ergebnisse des Berichts diskutieren sollte.
Wir bitten Sie darum, dieses Ansinnen bei dem nächsten Treffen des Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am Dienstag und Mittwoch, den 1./2. Dezember, zu diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Marisa Felicissimo, Belgien
Antonio Escobar, Spanien
Fredrick Polak, Die Niederlande
Jorge Roque, Portugal
ENCOD Vorstand