In March 2001, 25 ENCOD members from 8 different countries met in Brussels and edited the following guidelines for just and effective drug policies in Europe.
I. EINLEITUNG
Dieses Jahr, 2001, wird der vierzigste Jahrestag der Unterzeichnung der „United Nations Single Convention of Narcotic Drugs“ begangen. (Übereinkunft der Vereinten Nationen über narkotische Drogen) Diese Übereinkunft gestaltet noch immer die gesetzliche Basis der politischen Maßnahmen vieler Länder, die auf die Auslöschung der Kultivierung, der Produktion, des Handels und des Konsums illegaler Drogen weltweit zielen. Jedoch deuten alle Anhaltspunkte auf einen phänomenalen Mißerfolg dieses Versuches. Seit 1961 haben sich der Drogengebrauch und die damit verbundenen Probleme vervielfacht und steigen immer noch an. Schätzungen zufolge werden in jeder Sekunde mehr als 16.000 durch den Verkauf illegaler Drogen verdient. Die Profite sind massiv,- die Produktionskosten stellen nicht mehr als 1% dieser Summe dar.
Die Probleme, die durch Maßnahmen zur Kontrolle der Drogen verursacht werden, haben sich inzwischen als viel größer erwiesen als diejenigen, die sie lösen sollten. Der immense weltweite Schaden, der durch die Drogenprohibition der öffentlichen Gesundheit, der Wirtschaft, der nachhaltigen Entwicklung und der gesellschaftlichen Sicherheit entstanden ist, wird zwar hinreichend dokumentiert, aber ungenügend verstanden von Politikern, Massenme-dien und der Allgemeinheit.
Andere Lösungen, um das Drogenthema auszuarbeiten und durchzuführen, könnte eine der wichtigsten Herausforderungen des 21sten Jahrhunderts werden. Oder, wie eine britische Behörde zur Kontrolle von Drogen es ausdrückt: „Wenn das Drogenproblem weiterhin fortschreitet wie zur Zeit, werden wir mit erschreckenden Möglichkeiten konfrontiert werden. Entweder es wird zu einer massiven Einschränkung der bürgerlichen Rechte kommen, wenn versucht wird, das Problem in den Untergrund zu treiben, oder man wird sich radikale Lösungen einfallen lassen müssen. Das Thema muß heißen: kann das Strafrechtssystem dieses besondere Problem lösen?“ (Commander John Grieve, Criminal Intelligence Unit, Scotland Yard, auf Channel 4, 1997.
Innerhalb Europas haben viele Länder schon damit begonnen, mit innerstaatlichen Maßnahmen zu experimentieren, die in offenem Gegensatz zu der Single Convention von 1961 und ihren noch repressiveren Nachfolgern von 1071 und 1988 stehen. Die neue Herangehensweise ist nicht mehr abgestellt auf die Ausrottung des Drogenkonsums, sondern auf die Minimierung des Schadens, der mit dem unregulierten Gebrauch von Drogen verbunden ist.
Ansätze zur Eindämmung von Schaden hatten günstig wirkende Folgen sowohl für Gesundheit und Sicherheit von Drogenkonsumenten als auch die Gesellschaft als Ganzes. Spritzentauschprogramme, erweiteter Zugang zu nicht Abstinenz- orientierten Behandlungen sowie niedrigschwellige Anlaufstellen retteten Menschenleben und verbesserten Lebensqualität.
Jedoch haben diese Maßnahmen ihre Grenzen. So lange sie unter gesetzgeberischen Rahmenbedingungen durchgeführt werden, die Drogen generell verbieten, kann dieser Ansatz nicht konsequent vollendet werden. Ihm zum Trotz bewegen sich Drogenproduzenten und Konsumenten weiterhin in einem illegalisierten Umfeld. Solange die gewaltsame Durchsetzung der Gesetze die Basis der Drogenpolitik bleibt, wird diese die Schäden eher vergrößern als verkleinern.
Methoden, die auf die Reduzierung des Anbaus illegalisierter Pflanzen in Entwicklungsländern zielten, führten zur Verschwendung von finanziellen Mitteln, ohne produktive Ergebnisse für die betroffene Landbevölkerung herbeizuführen. Tatsächlich investierte die internationale Gemeinschaft während der letzten neun Jahre in Südamerika Tausende von Millionen Dollar in die Strategie der gewaltsamen Ausrottung, welche die Produktion von Cocablättern um 2,98% verringerte.
Die Konsequenzen waren für die Umwelt katastrophal. In der Zeit zwischen 1994 und 2001 wurden allein in Kolumbien 200.000 Hektar Land mit chemischen Herbiziden besprüht. Trotzdem vergrößerte sich die Fläche, auf der illegalisierte Pflanzen angebaut wurden, von 45.000 auf 165.000 Hektar um das Vierfache. Parallel dazu wurden in unberührten Teilen des Amazonas-Waldes und in Berggebieten neue Flächen bepflanzt, was den Umweltschaden erhöhte.
Die Notwendigkeit einer öffentlichen Diskussion über dieses System liegt auf der Hand. Europa, wo traditionell humanitäre Werte in die gesetzgeberischen Prozesse einbezogen wurden, kann eine wichtige Rolle bei diesem Verfahren spielen. Die momentanen Gegebenheiten bieten eine hervorragende Gelegenheit, verschiedene in Europa durchgeführte drogenpolitische Strategien auszuwerten, zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen im Hinblick auf ihre Effektivität. Die zu diesem Zweck geschaffenen offiziellen Behörden haben dies bisher nicht erreicht, wahrscheinlich aus politischen Gründen.
Leider wurde in den letzten vierzig Jahren die öffentliche Diskussion über Drogen eher von Gefühlen und Moralurteilen beeinflußt als von Tatsachen. Das Ergebnis hiervon ist, daß die gegenwärtige Drogenpolitik eine massive Bedrohung für schwache Gruppen, Steuerbudgets, die Glaubwürdigkeit und Integrität von Autoritäten und die Freiheit der Wissenschaft darstellt. Die Debatte in der Drogenpolitik bedarf einer rationalen Einstellung, um dies zu ändern zu können.
Das vorliegende Dokument wurde erarbeitet von Mitgliedern der Internationalen Koalition der Nicht-Regierungs-Organisationen für eine gerechte und effektive Drogenpolitik (ENCOD). Diese Koalition setzt sich zusammen aus mehr als 100 Organisationen und Bürgern, die entweder persönlich oder beruflich von dem Phänomen der Drogen betroffen sind. Viele von uns tragen die Lasten, welche die gegenwärtige Drogenpolitik hervorruft. Wir teilen den Glauben, daß Drogenpolitik zum Ziel haben sollte, alle diejenigen mit Würde auszustatten, die ihrer beraubt werden, und daß dies auf gesundem Menschenverstand und Humanität beruhen sollte.
In diesem Dokument unterbreiten wir unsere Vorschläge Politikern und allen anderen Menschen, die das Drogenthema betrifft. Als Erstes beschreiben wir die Ziele, die Drogenpolitik haben sollte, um gerecht und effektiv sein zu können. Als Nächstes erklären wir, weshalb die Methoden der Auswertung von Drogenpolitik unzureichend sind, was einer der Gründe sein mag, weshalb sie noch nicht verändert wurde. Danach schlagen wir eine Reihe von Indikatoren vor, die benutzt werden sollten, um Drogenpolitik zu evaluieren. Zuletzt stellen wir konkrete Schritte vor, die unternommen werden sollten, um die Verhältnisse zu verbessern.
Wir laden jedermann, der dies liest, ein, mit uns Kontakt aufzunehmen, um gemeinsam Wege zu erforschen, die diesen Prozeß fördern können. Bitte suchen Sie auf den letzten Seiten nach den Details für den Kontakt mit uns.
II. DIE ZIELE EINER GERECHTEN UND EFFEKTIVEN DROGENPOLITIK
Das Ziel der gegenwärtigen Drogenpolitik ist die signifikante Reduzierung der Produktion und des Konsums von Drogen. Die Tatsachen beweisen jedoch, daß die Behörden nach 40 Jahren des „Krieges gegen die Drogen“ dieses Ziel nicht erreicht haben und ein hoher Preis von Bürgern aus vielen Ländern dafür bezahlt wurde. Unter den Bedingungen der Prohibition werden Drogengebraucher und Produzenten unter Bedrohung ihres Lebens und ihres Wohlergehens kriminalisiert und marginalisiert.
Die Drogen und Pflanzen, die von der gegenwärtigen Politik illegalisiert werden, umfassen nicht alle existierenden psychokativen und abhängig machenden Substanzen auf diesem Planeten, sondern nur eine bestimmte Anzahl, die auf der Basis von kulturellen und historischen Gründen ausgesondert wurde, nicht auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Als Bürger vieler Bekenntnisse und Klassen glauben wir, daß eine drogenfreie Gesellschaft nur möglich wäre, wenn wir gewillt wären, die Menschenrechte gravierend zu verletzen, wie es täglich in Ländern praktiziert wird, in denen Todesstrafe, Folter und extrem lange Freiheitsstrafen auf Drogenproduzenten, Verkäufer und Benutzer angewendet werden. Auch um diesen Preis wird es niemals eine völlig drogenfreie Gesellschaft geben. Der Umstand, daß Drogen in die Gefängnisse gelangen, in die Menschen wegen Verletzung der Drogengesetze geschickt werden, ist absurdes Beispiel für das weltweite Versagen der gegenwärtigen Politik.
Die heutige Drogenpolitik der verschiedenen Länder trägt nichts dazu bei, den sozialen Frieden oder die soziale Sicherheit aufrecht zu erhalten. Statt dessen verursacht sie ständige soziale Unruhe, die die Bürger in einem Zustand der Unsicherheit und Unentschlossenheit hält. Sie treibt Drogengebraucher, um ihren Bedarf auf den Schwarzmärkten der Welt zu decken, zu unsozialen Verhaltensweisen und real kriminellen Handlungen. Sie ergeben sich der gesellschaftlichen Erosion, die die Drogengesetze zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen macht.
Aus diesen Gründen glauben wir, daß das Ethos jeder Drogenpolitik akzeptieren muß, daß Drogen für immer hier sind. Drogengebrauch ist eine Tatsache. Es ist unsere Aufgabe, größere Schäden, die aus ihrem unausgebildeten und unkontrollierten Gebrauch entstehen, zu reduzieren und die Vorteile aus ihrer verantwortungsvollen Benutzung zu ziehen. Sobald wir akzeptieren, daß dies unsere hauptsächlichen Ziele sind, müssen wir die Politik diesen Bestrebungen anpassen.
Die Durchsetzung der Gesetze ist Teil einer jeden effektiven Drogenpolitik. Psychoaktive Substanzen benötigen gesetzliche Regulierung, weil ihr Gebrauch auf einer gleitenden Skala der Intensität substanzielle Risiken und Nutzen birgt. Regulierung soll die Muster des verantwortungsvollen Gebrauches, der Produktion und des Handels unterstützen. Unter den Umständen der Prohibition ist eine solche Regelung unmöglich
Wir schlagen kein bestimmtes System für gesetzliche Regulierung vor, weil wir denken, daß man verschiedene Systeme entwickeln könnte, die besser funktionieren würden als die Prohibition. Das Problem hierbei ist die Wiedererlangung nationaler Autorität, um ein System entwickeln zu können, das nicht nur zu den internationalen Beziehungen passen würde, sondern auch in die jeweilige nationale Kultur und Geschichte.
Die Ziele einer gerechten und effektiven Drogenpolitik sollen die folgenden Bereiche abdecken:
A. Die Förderung der öffentlichen Gesundheit. Dies beinhaltet
1. Adäquate Regulierung der Bedingungen des Marktes, inklusive Methoden und Orte der Verteilung, Kaufalter, Preiskontrolle durch Steuern usw.
2. Qualitätskontrollen von der Produktion bis zur Verteilung
3. Sachlich richtige Information für jede interessierte Person, ob jung oder alt
4. Förderung des Wohlergehens der Drogengebraucher, inklusive Maßnahmen zur Prävention von HIV/AIDS, Hepatitis C und anderen durch Blut übertragbaren Krankheiten, Zugang zu allen Behandlungsmöglichkeiten, usw.
5. Medizinische Intervention prinzipiell beschränkt auf Freiwilligkeit
In einem gut funktionierenden System der Qualitätskontrolle und des Jugendschutzes sind keine speziellen Gesetze für Drogen notwendig. Die Tatsachen beweisen, daß die Mehrheit der Gebraucher psychoaktiver Substanzen lernen kann, den Gebrauch zu kontrollieren, und daß sogar problematische Gebraucher es schaffen können, ihren Konsum modifizieren zu lernen, mit oder ohne Behandlung.
B. Den Schutz der Menschenrechte und der öffentlichen Sicherheit. Dies beinhaltet:
1. Den Schutz aller Menschenrechte im Hinblick auf und Ermutigung zu verantwortlicher Einstellung zu Produktion oder Konsum psychoaktiver Substanzen. Dies bedeutet keinerlei Diskriminierung auf Grund von Konsum, Nicht-Konsum oder Besitz von bestimmten Substanzen, sowie Garantien für alle Bürger, das Recht zu haben, an der Gestaltung von Politik und Programmen, die sie betreffen, teilzuhaben.
2. Tragfähige Beziehungen zwischen Produzenten und Gebrauchern von Drogen, ohne die Intervention skrupelloser Mittelsmänner.
3. die Reduzierung von drogenbezogener Kriminalität durch Preiskontrolle. Amnestie und Entschädigung für entstandene Schäden für alle nicht gewalttätigen Täter, die andere Gesetze übertreten haben, um Geld für den Kauf von Drogen zu beschaffen.
4. Den Schutz der Rechte der Gebraucher (vernünftige Preise, annehmbare Qualitätsebenen, Produktinformation).
5. Den Schutz der Rechte der Produzenten (vernünftige Preise, tragbare Bedingungen für die Produktion, faire Handelsmechanismen)
6. Den Schutz schwacher Gruppen durch Verkaufs- und Preiskontrollen
Jede Gesellschaft muß das Recht haben, ihren eigenen Weg zu einer gerechten und mitfühlenden Drogenpolitik zu finden, weil das, was für die eine Gesellschaft funktioniert, nicht unbedingt auch für eine andere funktionieren muß. Jedoch soll jede Drogenpolitik auf dem Respekt der Menschenrechte, wie sie in internationalen Übereinkommen dargelegt sind, basieren. Keine Drogenpolitik darf auf Kosten der Menschenrechte angewendet werden.
Die Regulierung der Märkte von Substanzen, die derzeit illegalisiert sind, wird ohne Zweifel ungewollte Effekte hervorrufen. Zum Beispiel ist es wahrscheinlich, daß sie eine Abnahme der Flächen, die für die Kultivierung illegalisierter Pflanzen benötigt werden, bewirken wird, was die Einkommensquelle einer Mehrheit der Bevölkerung, die derzeit mit ihrer Kultivierung befaßt sind, gefährden wird. Deshalb ist es absolut notwendig, daß Drogenpolitik durchgeführt wird im Rahmen einer (Makro-) ökonomischen und sozialen Politik , die eine tragfähige Entwicklung gewährleistet und dem Ausschluß von Individuen und Bevölkerungsgruppen begegnet.
III. WESHALB DIE GEGENWÄRTIGE EVALUATION VON DROGENPOLITIK UNZUREICHEND IST
Die jeweilige Drogenpolitik der verschiedenen Länder im geographischen Europa hat als Basis das Ziel der Reduzierung der Nachfrage und des Nachschubs von Drogen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und die allgemeine Sicherheit zu erhöhen. Wenn Drogenpolitik ausgewertet wird, sollte man darauf achten, wie die Problemstellungen in diesen beiden Feldern angesprochen werden. Die Schlußfolgerungen aus dieser Evaluation sollten danach Verbesserungen im Prozeß der Beschlußfassung erlauben, um so die Effektivität zukünftiger Programme zu erhöhen.
Die gegenwärtige Evaluation von Drogenpolitik in Europa vergleicht nicht das Verhältnis der Kosten zur Effektivität. Ebenso ignoriert oder minimiert sie ihre negativen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und die Sicherheit der Gemeinschaft. Zwischenzeitlich gibt es Beweise, daß das Übergewicht, das auf der Durchsetzung der Gesetze zur Reduzierung der Nachfrage und des Nachschubs liegt, auf diesen beiden Gebieten Probleme verursacht.
Zur Zeit provoziert Drogenpolitik gefährliche Umstände für den Konsum von Drogen, wie zum Beispiel die Tatsache, daß Drogen illegalisiert sind, die Lebensumstände und die Konsummuster der Gebraucher verschlechtert. Der Mangel an Kontrolle von Zusammensetzung und Qualität der Drogen schafft Gesundheitsprobleme – die Verbreitung von HIV, Hepatitis C usw. Daneben schafft der illegale Status von Drogen Einschränkungen bei Programmen der Schadensminimierung, bei Substitutionsprogrammen, beim Streetwork, und in besonderen Zusammmenhängen wie in Gefängnissen oder bei der Prävention.
Drogenpolitik bedingt ebenfalls Schäden an der Sicherheit der Gemeinschaft und führt zu Verletzungen der Menschenrechte. Daß der Drogenmarkt nicht reguliert wird, führt zu Eigentumsdelikten, unverhältnismäßigen Belastungen bei der Verteilung der Mittel für die Strafverfolgung, zu Gewalt, öffentlichem Ärgernis usw. Prohibitionsgesetze beeinträchtigen direkt die Freiheit von Bürgern und verletzen die Menschenrechte Hunderter Millionen von Personen der ganzen Welt. Sie dienen dazu, einen moralischen Standpunkt zu rechtfertigen, der den freien Ausdruck, die freie Bewegung, die Würde und das Alltagsleben des Individuums in Mitleidenschaft zieht. Zugleich begünstigen diese Gesetze die Pervertierung der Gerichte, die Korruption auf vielen Ebenen, die Manipulation von Maßnahmen und die Ausbeutung von Menschen.
Die Auswertenden der augenblicklichen Drogenpolitik berücksichtigen diese Auswirkungen nicht. Sie tendieren dazu, nur ihren Effekt auf Nachfrage und Nachschub zu sehen sowie eine bruchstückhafte Analyse des Kreises – Maßnahme – Ziel – Ergebnis zu liefern, ohne die besonderen Probleme bei der Durchsetzung dieser Kontrollstrategien mit einzubeziehen.
Beispielsweise beschreibt das „European Monitoring Centre on Drugs and Drug Addiction (EMCDDA), die mit der Auswertung der europäischen Drogenpolitik befaßte Behörde, das Phänomen des problematischen Drogenkonsums als „intravenösen oder lang andauernden regelmäßigen Gebrauch von Opiaten, Kokain und/oder Amphetaminen“. Diese Definition zeigt, daß die Auswertungen sich nicht damit befassen, die Problematik zu benennen, sondern nur danach streben, „abweichendes“ Verhalten zu identifizieren. Lang anhaltender Gebrauch oder die Art der Applikation sagen nichts aus über die Lebensqualität der Betroffenen.
Weiterhin hat die EMCDDA sehr wenig getan, die Ergebnisse der verschiedenen lokalen oder nationalen Verfahren, die in Europa durchgeführt werden, zu vergleichen. Deshalb ist die Gelegenheit, erfolgreiche Interventionen eines Landes in ein anderes zu übertragen, verloren und die Bedeutung nationaler Diskussionen über Drogen begrenzt.
IV. WIE DIE EFFEKTIVITÄT DER DROGENPOLITIK AUSGEWERTET WERDEN SOLLTE
Um effektiv sein zu können, braucht Drogenpolitik als Erstes ein klares Ziel. Sobald man sich über dieses Ziel geeinigt hat, können Indikatoren entwickelt werden. Mit diesen kann die Effektivität der Politik gemessen werden.
Die Effektivität einer Drogenpolitik, die sich zum Beispiel auf die
Erlangung einer drogenfreien Gesellschaft ausrichtet, kann an der Prävalenz des Drogengebrauches in der Bevölkerung gemessen werden. Wenn unsere Vorschlage für Drogenpolitik angenommen würden, müßte man sie jedoch anders auswerten. Für eine Politik, die Drogen als Teil des Lebens akzeptiert, jedoch versucht, damit verbundene Schäden zu verringern, ist die Prävalenz des Drogengebrauches als solche von geringerer Bedeutung. Es ist wichtiger, die Effektivität solcher Politik unter Nutzung der folgenden Indikatoren zu messen:
Das Verhältnis von ‚problematischem Gebrauch‘ zur Gesamtheit des Gebrauchs
Dieser sehr wichtige Indikator teilt uns mit, wie Drogen und Drogengebraucher in die Gesellschaft integriert werden. Hier liegt der Schlüssel in der Definition des Begriffs ‚problematischer Gebrauch‘. Bei unserer Sichtweise ist Drogengebrauch problematisch, wenn er eine Schlüsselstellung in der Reduzierung der Lebensqualität der Gebraucher und/oder der Gemeinschaft, in der sie leben, einnimmt. In einer Situation, in welcher Drogen legal sind, werden viele dieser Probleme verschwinden. Einige werden weiter existieren, und es ist wichtig, sicher zu stellen, daß ihr Verhältnis zum gesamten Phänomen des Drogengebrauches vergleichsweise klein bleibt.
Das Verhältnis Preis/Qualität von Substanzen
Es ist Aufgabe der Regierung, die Rechte der Konsumenten zu sichern und Qualitätskontrolle für Produkte, die für den menschlichen Konsum bestimmt sind, durchzuführen. Eine Vielzahl von Problemen, die man üblicherweise dem Gebrauch von Drogen zuschreibt, werden in Wirklichkeit durch ihre überhöhten Preise verursacht. Unserer Ansicht nach ist Qualitätskontrolle leichter zu erreichen unter einer Politik, die den Drogengebrauch als unvermeidlichen Teil einer modernen Gesellschaft sieht. Je besser das Verhältnis (gute Qualität zu fairem Preis), umso besser die Politik. Dies würde einige Probleme reduzieren, wie zum Beispiel Eigentumsdelikte, Prostitution, gefährlicher Gebrauch von verfälschten Substanzen usw.
Die Integration der Drogengebraucher in die Gesellschaft
Drogenpolitik kann Schaden mindern durch die Förderung der Integration der Drogengebraucher in die Gesellschaft. Hier können verschiedene Indikatoren benutzt werden, wie: die finanzielle Situation der Gebraucher, die Höhe der Arbeitslosigkeit, der Heimatlosigkeit, der unfreiwilligen Behandlung und Gefangenschaft unter den Gebrauchern, die Kenntnis über den Drogengebrauch in der Bevölkerung usw.
Die Umgestaltung der Lebensbedingungen in produzierenden Gebieten
Die Drogenpolitik sollte die Schaffung hinreichender Umwelts- und Wirtschaftsbedingungen für die Produktion und den Handel mit Drogen fördern. Sie sollte begleitet werden von Entwicklungspolitik in den Gebieten, in welchen illegalisierte Pflanzen angebaut werden. Hier können verschiedene Indikatoren benutzt werden, wie das Pro-Kopf-Einkommen, die Integration in die lokale, nationale oder internationale Marktwirtschaft, das Vorhandensein von Bedingungen, die nachhaltige Produktion garantieren usw.
Die Teilhabe der Bürger an der Planung und Durchführung von Drogenpolitik
Je mehr die Drogenpolitik von denjenigen, die davon betroffen sind, akzeptiert wird (Konsumenten und Produzenten), desto besser. Deshalb ist es notwendig, sie mit ihnen zu planen und durchzuführen, nicht ohne oder gegen sie. Hier sollte ein konkreter Indikator die Existenz politischer Gremien sein, die verantwortlich für sie sind, in denen Produzenten und Konsumenten voll gültige Mitglieder sind. Ein weiterer Indikator sollte die Existenz spezieller Klauseln über Menschenrechte in Durchführungsverordnungen und in der Drogen betreffenden Gesetzgebung sein.
V. ZUKÜNFTIGE SCHRITTE
Vor vierzig Jahren, als der erste der drei UN- Drogen- Verträge wirksam wurde, war das Drogenphänomen eine Angelegenheit des individuellen Gewissens und Verhaltens und von relativ geringer Wichtigkeit für die Gesellschaft. Seit damals wurde es zu einer katastrophalen sozialen Kernfrage (zunehmend an Umfang und Ausdehnung), in welcher die Politik zunehmend irregeleitet wurde.
Es scheint unvermeidlich zu sein, die Ansätze der gegenwärtigen internationalen Drogenverträge zu ändern, – falls man sie nicht alle abschafft – zumindest indem man das Recht der unterschreibenden Staaten wieder herstellt, mit neuen Lösungen zu experimentieren, und ihnen die Freiheit gibt, unter diesen zu wählen.
Denn es ist klar, daß sich sowohl die Ausdrucksweise als auch die dominante Ideologie der bestehenden Übereinkommen auf dem Drogensektor mehr und mehr als Hindernisse für die Entwicklungen neuer Praktiken und Maßnahmen offenbaren, die notwendig sind, um drogenbezogene Problemstellungen angehen zu können. Deshalb ist es nötig, die ihnen zugrunde liegenden Voraussetzungen und die durch diese Übereinkommen erreichten Resultate einer Auswertung und Neuuntersuchung zu unterwerfen.
Letztendlich gibt es auch konkrete Schritte, welche die europäischen Autoritäten unternehmen können, um die Verhältnisse unter den bestehenden Umständen zu verbessern:
Eine unabhängige Evaluation auf der Basis der Überprüfung der Prioritäten für die Drogenpolitik durchzuführen. Diese Auswertung sollte die Aufmerksamkeit auf alle Glieder der Kette, die sowohl Produktion und Handel, als auch Drogenkonsum umschließt, richten, und die Wirkung der jetzigen Drogenpolitik auf die öffentliche Gesundheit, die Menschen- und Bürgerrechte, die allgemeine Sicherheit, die Umwelt usw., messen.
Einen dauerhaften, regelmäßigen und bedeutungsvollen Dialog mit NGO’s und Bürgervereinigungen auf den Feldern der Drogenproduktion und des Drogenkonsums einzurichten.
Informationen unter Regionen und Ländern zu teilen, um Erfahrungen in guter Handhabung auszutauschen.