Quelle: News.de
Von Franz Smets und Hubert Kahl
11.10.2010
Mal wieder wurden Drogen beschlagnahmt, die Einsatzkräfte sind schwerbewaffnet: Alltag in Mexiko. Der Drogenkrieg in Mexiko wird immer blutiger, die Regierung hat die Kontrolle verloren. Jetzt sprechen sich Politiker und Prominente für eine Legalisierung aus – unter ihnen der frischgebackene Literaturpreisträger Mario Vargas Llosa.
Der anhaltende Krieg der mexikanischen Regierung gegen die Drogenkriminalität hat in Lateinamerika eine Diskussion über die Legalisierung von Rauschgift in Gang gesetzt. Fast 30.000 Opfer hat der Krieg seit Dezember 2006 gefordert, seit Präsident Felipe Calderón die Streitkräfte gegen die organisierte Kriminalität mobilisierte. Dieser Kampf sei nicht zu gewinnen, meinen Politiker, Juristen und Intellektuelle.
«Der Drogenkrieg ist gescheitert», stellten die Ex-Präsidenten von Brasilien, Kolumbien und Mexiko, Fernando Henrique Cardoso, César Gaviria und Ernesto Zedillo, schon 2009 in einer gemeinsamen Erklärung fest. «Von einer Ausmerzung der Drogenkriminalität sind wir weiter entfernt als je zuvor.» Die drei Ex-Staatschefs plädierten dafür, im Rahmen einer neuen Strategie Haschisch und Marihuana zu legalisieren.
Mario Vargas Llosa ging noch einen Schritt weiter. Der peruanische Schriftsteller, der am Donnerstag den Literatur-Nobelpreis zugesprochen bekam, rief dazu auf, die Drogen generell zu legalisieren. «Dies ist die einzige Lösung», meinte der Autor, der alles andere als ein Revolutionär ist und sich selbst als Liberalen einstuft. «Der Drogenschmuggel kann nicht mit militärischen Mitteln besiegt werden. Es wird ihn geben, solange es Abnehmer von Rauschgift gibt.»
Spanien wichtigstes Einlasstor für Kokain aus Lateinamerika
Die Bewegung für ein Umdenken in der Anti-Drogen-Politik hat mittlerweile auch in Europa Fuß gefasst. In Spanien sprach sich der Ex-Regierungschef Felipe González dafür aus, den Drogenkonsum weltweit zuzulassen. «Die internationale und organisierte Kriminalität ist eine der größten Bedrohungen für die Sicherheit», sagte der sozialistische Politiker. «Das gilt für die ganze Welt, nicht allein für Mexiko.»
Spanien ist in Europa das mit Abstand wichtigste «Einlasstor» für Kokain aus Lateinamerika und Haschisch aus Marokko. Der Forderung nach einer Legalisierung schloss sich auch die spanische Polizeigewerkschaft SUP an. «Mit einer Freigabe würde den Mafia-Banden der Boden entzogen, die Süchtigen müssten für die Beschaffung von Rauschgift keine Verbrechen begehen, und in den Gefängnissen würden 40 Prozent der Betten frei», meinte SUP-Chef José Manuel Sánchez.
In Mexiko ist die Bilanz der Regierung nach fast vier Jahren Drogenkrieg eher ernüchternd: Ende September berichtete der für Sicherheitsfragen zuständige Sprecher des Präsidentenamtes, zwischen Juni und August seien im Durchschnitt täglich 49 Menschen getötet worden. Im September sei die tägliche Todesrate auf 36 zurückgegangen. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Regierung der organisierten Kriminalität schwere Schläge zugefügt und einige ihrer Führungsfiguren ausgeschaltet habe.
Ex-Präsident Fox skeptisch
Kritiker ziehen jedoch selbst diesen bescheidenen Erfolg in Zweifel und fordern ein Umdenken. Dazu gehören unter anderem Ex-Präsident Vicente Fox, der ehemalige Außenminister Jorge Castañeda oder der Ex-Regierungssprecher Rubén Aguilar. Sie treten für eine Legalisierung von Marihuana ein, nicht aber von Kokain oder synthetischen Drogen.
Dass die Forderung nach einer Legalisierung in absehbarer Zeit umgesetzt wird, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Für eine Freigabe der Drogen machten sich bislang nämlich nur ehemalige Präsidenten oder Regierungschefs stark. Politiker, die in Amt und Würden sind, wagen sich an das Thema nicht daran, weil es ihnen zu heikel ist. «Wir haben es bislang noch in keinem Land der Welt erlebt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Freigabe ist», sagte der Rechtsexperte Brendan Hughes von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle der Zeitung El País. «Überall sind die Anhänger einer Legalisierung nur eine kleine Minderheit.»