Kurz nach einer nicht rechtskräftigen Verurteilung fand die Polizei bei dem 58-Jährigen erneut Cannabispflanzen.
Knapp vier Wochen nach einer Verurteilung am Salzburger Landesgericht befindet sich der Obmann des Cannabis Social Club in Haft. Die Polizei fand in der Wohnung des 58-Jährigen 37 Cannabispflanzen, zudem Cannabiskraut und Öl. Der Mann war am 2. Februar 2017 wegen des Anbaus von 109 Cannabispflanzen nicht rechtskräftig zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Bereits vor Gericht kündigte er an, mit dem Anbau von Cannabis weitermachen zu wollen.
Am Montag führte die Polizei eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Hausdurchsuchung durch, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Robert Holzleitner. “Der verdächtige 58-Jährige ließ sich trotz einer einschlägigen Verurteilung nicht vom Cannabisanbau abhalten.” Ein Haftgrund bestehe wegen der Tatbegehungsgefahr, sagt Holzleitner. “Wir ermitteln gegen den Mann bereits seit Mai 2016, insgesamt geht es um den Anbau von 237 Cannabispflanzen.” Die Staatsanwaltschaft will am Dienstag einen Antrag auf Untersuchungshaft stellen.
Salzburger leidet an chronischen Schmerzen
Der Vereinsobmann leidet seit einem Arbeitsunfall im Jahr 2004 an chronischen Schmerzen. Der ehemalige Lkw-Fahrer war erst am 1. Februar am Landesgericht Salzburg zu einer bedingten zweimonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Er soll laut Gericht zumindest ab März 2012 Cannabis in unbekannter Menge gegen seine Schmerzen angebaut, konsumiert und in einigen wenigen Fällen auch an Leidensgenossen weitergegeben haben.
Schmerzpatient baute Cannabis an: Zwei Monate bedingte Haft
In Salzburg wurde am Mittwoch ein 57-jähriger Schmerzpatient verurteilt: Wilhelm Wallner hatte zumindest ab März 2012 Cannabis in beträchtlicher Menge gegen seine Schmerzen angebaut und konsumiert. Wallner zeigte sich über das Urteil empört und meldete Berufung an.
Wilhelm Wallner, ein ehemaliger Lkw-Fahrer, hatte sich Mitte der 2000er Jahre bei der Arbeit schwer am Fuß verletzt. Was zunächst wie eine Verstauchung aussah, entpuppte sich als schwerer Knorpel- und Bänderschaden. Es folgten drei Operationen und lange Krankenhausaufenthalte, dem Mann wurde ein Sprunggelenksimplantat eingesetzt. Schließlich wurde er in die Invaliditätspension geschickt.
Gegen die Schmerzen bekam er damals Morphium verschrieben, das er laut eigenen Angaben nicht vertrug. 2008 begann er deshalb mit Cannabis zu experimentieren. Und die Pflanze – als Sud für Tee, extrahiert als Öl zum Schmieren und manchmal auch geraucht – habe sofort positive Wirkung gezeigt. “Das Cannabis wirkte schmerz- und entzündungshemmend. Hätte ich das Morphium weiter genommen, wäre ich heute ein Pflegefall”, sagte er am Mittwoch in Salzburg vor Gericht.
“Hätte ich weiter Morphium genommen, wäre ich nun ein Pflegefall”
2012 geriet er allerdings mit dem Suchtmittelgesetz in Konflikt. “Mir war klar, dass das verboten ist. Aber es hat mir einfach geholfen.” Im September 2015 begann nach mehreren Anzeigen der Prozess gegen den Mann. “Ich bin zum Anbau von Cannabis gezwungen”, sagte er damals. Das von der Krankenkasse bezahlte Ersatzmedikament Sativex habe nur bedingt geholfen. “Das hat eine Zeit lang gewirkt, dann aber nicht mehr.” Der Prozess wurde in der Folge zur Einholung von Gutachten mehrfach vertagt.
Es gebe genügend Studien, welche die schmerzlindernde Wirkung von Cannabinoiden belegen, sagte am Mittwoch der Gutachter Christian Lampl, ehemaliger Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft, vor Gericht. Zudem habe der Angeklagte schlüssige Angaben gemacht. “Einen großen Spielraum innerhalb der schulmedizinischen Schmerzbehandlung hätte es bei ihm kaum mehr gegeben.” Auch die beschränkte Wirkung von Sativex beim Angeklagten hielt Lampl für denkbar. “Eine Gewöhnung der Rezeptoren und eine Dosis-Steigerung ist möglich.”
Angeklagter zum Richter: “Zeigen Sie ein Herz!”
Der Richter hatte im Verfahren zwar Verständnis für die Situation des 58-Jährigen geäußert, aber keinen “entschuldigenden Notstand” erkannt. Dazu hätte der Angeklagte zuvor alles gegen seine Schmerzen ausprobieren müssen, was legal möglich gewesen wäre. Ein sogenannte multimodale Therapie – eine Kombination aus mehreren Medikamenten, aber auch mit Psychotherapie oder Hypnose – hatte der 58-Jährige allerdings abgelehnt, weil ihm Cannabis klar am besten helfe. Der Salzburger hatte nach dem Prozess gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Darum habe er ja auch gleich mehrere Sorten angebaut, sagte der Angeklagte. “Ich sitze zwischen zwei Sesseln. Die Ärzte sagen das eine, die Justiz das andere.” Und der 57-Jährige machte am Mittwoch aus seinen Unmut keinen Hehl. “Das ist ärger als eine Hexenjagd im Mittelalter. Ich habe nie etwas Schlechtes gemacht und auch nie Suchtgift am Schwarzmarkt angeboten.” In Deutschland dürfe man Cannabis für medizinische Zwecke legal daheim anbauen. “Das wird auch bei uns kommen.” Zugleich forderte er von der Justiz das bei ihm konfiszierte Suchtgift und die Utensilien für den Anbau zurück. “Es wäre schade, wenn Sie es verbrennen. Zeigen Sie ein Herz”, meinte er zum Richter.
Der äußerte zwar Verständnis für die Situation des 57-Jährigen, sprach den Mann aber im Sinne der Anklage schuldig. Denn der Anbau und der Konsum von THC-hältigem Cannabis sei in Österreich nun einmal strafbar. Einen “entschuldigenden Notstand” erkannte der Richter nicht. “Dazu muss man zuvor alles tun, was legal möglich ist. Es hätte die Möglichkeit einer Mischtherapie gegeben, die Sie aber ablehnen”, sagte er zum Angeklagten. Sprich: Der ehemalige Lkw-Fahrer hätte zuvor eine sogenannte multimodale Therapie – eine Kombination aus mehreren Medikamenten, aber auch mit Psychotherapie oder Hypnose – ausprobieren müssen.
Eine solche hatte der Angeklagte, der am Mittwoch ohne Verteidigung erschien – “Das kann ich mir nicht mehr leisten” -, allerdings stets vehement abgelehnt. “Ich mache mir doch meinen Körper nicht kaputt”, meinte er und kündigte Berufung gegen das Urteil an.