Quelle: Harald Terpe, Bündnis Die Grünen
28.10.2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
Nach dem drogenpolitisch turbulenten Wochenende bei den Linken liegen nun Ihre konkreten Vorschläge auf dem Tisch.
Es gibt die berechtigte Fragestellung, die in ihrem Antrag aufgeworfen wird, ob die derzeitige repressive Drogenpolitik überhaupt die gewünschten Wirkungen entfaltet. Diese Frage wird durch die Realität nicht nur bei uns in Deutschland tagtäglich beantwortet: Der Konsum bestimmter Drogen wird durch ihr strafrechtliches Verbot nicht nennenswert verhindert. Schon allein deswegen ist ein solches Verbot mindestens verzichtbar.
Aber ich finde anderen Fragen in diesem Zusammenhang noch wesentlich wichtiger: Welche negativen Folgen hat eigentlich die repressive Drogenpolitik, wie wir sie hier in Deutschland praktizieren? Welche Folgen hat sie für die Anbauländer? Welche für die Transitländer und vor allem: Welche Folgen hat sie für die Konsumentinnen und Konsumenten dieser Drogen? In welcher Weise behindert das Verbot etwa eine zielgerichtete Prävention riskanter Konsumformen? Welche Auswirkungen hat der durch das Verbot geschaffene Schwarzmarkt für die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten?
Wenn man sich diese Fragen stellt, wird recht schnell klar, warum dieser Antrag nicht konsequent genug ist: Die Legalisierung von Cannabis durch so genannte Social Clubs, so wie die Linken dies vorschlagen, ist gerade nicht eingebunden in ein sinnvolles Konzept aus Prävention, Schadensminderung und Therapie. Die Zahlen zum Cannabiskonsum zeigen deutlich, dass es nur wenige Menschen gibt, die Cannabis in riskanter Form gebrauchen. Die übergroße Mehrheit betreibt offensichtlich einen selbstverantwortlichen Konsum. Aber gerade dieser Wenigen wegen muss eine wie auch immer geartete Abgabe von Cannabis oder anderer weicher Drogen eingebunden werden in ein Präventionskonzept. Und dazu gehört schon etwas mehr als ein bisschen Lebensertüchtigung in Schulen und ein Werbeverbot für die Clubs.
Wir haben bereits in der vergangenen Wahlperiode in unserem Antrag deutlich gemacht, wie aus unserer Sicht eine Entkriminalisierung von weichen Drogen wie Cannabis so umgesetzt werden könnte, dass dabei die Prävention im Vordergrund steht.
Ich habe darüber hinaus erhebliche Zweifel, ob das unter anderem in Spanien praktizierte Modell der Cannabis Social Clubs ohne weiteres auf Deutschland übertragbar ist. Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit diesem eher romantisierenden Ansatz wirklich weiter kommen. Was geschieht zum Beispiel mit Konsumentinnen und Konsumenten, die es ablehnen, sich in einem solchen Verein namentlich registrieren zu müssen? Und was machen Konsumentinnen und Konsumenten, die keinen Eigenanbau betreiben können oder wollen? Für sie ändert sich gar nichts. Sie müssen ihr Cannabis weiter illegal auf dem Schwarzmarkt erwerben.
Wer nicht nur die Entkriminalisierung von Cannabis sondern sogar die Legalisierung von Cannabis fordert, der muss sich auch Gedanken darüber machen, wie dann dem Umstand Rechnung getragen wird, dass internationale Übereinkommen diesem Legalisierungsanliegen entgegen stehen. Hier vermisse ich in Ihrem Antrag wenigstens einen Hinweis, wie Sie mit diesem Problem umzugehen gedenken.
Darüber hinaus wirft der Antrag der Linken weitere Fragen auf. Sie fordern beispielsweise, für den Straßenverkehr eine wissenschaftlich begründete THC-Höchstgrenze im Blut einzuführen. Damit werden sie das Problem aber nur teilweise lösen. Denn unabhängig davon, wie hoch der Grenzwert ist und ob bei Cannabiskonsumenten der Nachweis von THC mit einem akuten Rausch gleichgesetzt werden kann, kann regelmäßigen Cannabiskonsumentinnen und –konsumenten heute der Führerschein entzogen werden. Auch dann, wenn sie gar nicht unter Einfluss von Cannabis Auto fahren. Nach meiner Auffassung ist hier auch eine Änderung der Führerscheinverordnung notwendig. Damit lassen sich dann auch die häufig willkürlichen MPUs vermeiden.
Nun will ich nicht behaupten, dass wir GRÜNEN drogenpolitisch gesehen die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Zu einer verantwortlichen Drogenpolitik gehört es für mich aber auch, sich dafür zu interessieren, welche Wirkungen eine bestimmte Politik in der Praxis hat. Deswegen haben wir in der vergangenen Wahlperiode in unserem Antrag ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt vorgesehen, mit welchem die Wirkungen einer kontrollierten Abgabe beispielsweise in lizenzierten Abgabestellen überprüft wird. Eine solche Regelung fehlt leider ebenfalls in Ihrem Antrag.
Wir Grünen sind klar für eine grundlegende Reform der Drogenpolitik. Dazu gehört auch eine Entkriminalisierung von Cannabis und anderen weichen Drogen. Wir sehen diesen Antrag daher vor allem als Chance, die derzeitige Drogenpolitik und deren negative Folgen auf den Prüfstand zu stellen und notwendige Alternativen zu thematisieren. Denn anders als etwa im angelsächsischen Raum wird in Deutschland viel zu wenig die Frage nach dem Preis gestellt, den unsere aber auch andere Gesellschaften für die repressiv ausgerichtete Drogenpolitik zahlen. Ich würde mich freuen, wenn wir dieser Frage auch in den Ausschussberatungen und in einer Anhörung nachgehen können.