Umfrage von ÖHV und Legalize!Österreich zum Wahlkampfthema Cannabis: Österreichische Parteien sind grossteils noch sehr zögerlich
Wien, 19. September 2013
Eine Umfrage des Hanfverbands und von Legalize!Österreich zum jeweiligen Standpunkt in der Drogenpolitik aller Parteien mit realistischen Chancen auf den Einzug ins Parlament bei den Nationalratswahlen 2013 lässt die 800.000 Hanf-Konsumenten nicht gerade jubeln.
Nur jeweils eine Partei spricht sich für die Entkriminalisierung (Grüne) oder Legalisierung (Piraten) aus, die anderen Parteien beharren auf ihren Standpunkten der letzten Jahre (ÖVP, FPÖ) bzw. wollen die Situation weiter studieren (SPÖ. Neos). Einzige Überraschung war jedoch ein nach der Umfrage geführtes Interview einer Tageszeitung mit Frank Stronach, der sich darin für Cannabis auf ärztliche Verordnung aussprach.
Im folgenden die wichtigsten Zitate aus den Antworten der Parteien.
Die Volltext-Antworten der Parteien finden Sie hier: http://www.hanfverband.at/2013/09/parteien-cannabis-position/
SPÖ
SPÖ arbeitet an neuen Modellen:
Eine reine Verbotspolitik vermag das Drogenproblem ebenso wenig zu lösen wie eine völlige Liberalisierung. Daher setzt auch Österreich, wie viele andere Staaten, auf Entkriminalisierung bei Vorrang gesundheitsbezogener Maßnahmen vor Strafe.
Österreich war übrigens früher als viele andere Staaten Vorreiter in der Entwicklung von Diversionsmaßnahmen im Bereich des Suchtmittelstrafrechts, und diese Diversionsmaßnahmen sind gerade im Hinblick auf den persönlichen Gebrauch von Cannabis sehr weit reichend ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund sehen wir keinen Bedarf an Änderungen der Rechtslage in Bezug auf Cannabis. Abschließend dürfen wir Sie auf die von Gesundheitsminister Alois Stöger in Auftrag gegebene und auf der BMG-Website veröffentlichte Delphi-Studie zur Vorbereitung einer nachhaltigen nationalen Suchtstrategie hinweisen.
ÖVP
ÖVP sieht keinen Grund für die Legalisierung weicher Drogen:
Ich kann Ihnen dazu mitteilen, dass die ÖVP keinen Grund zur Legalisierung sogenannter weicher Drogen sieht. Im Gegenteil: Cannabis ist eine psychoaktive Substanz, die besonders für junge Menschen oft als Einstiegsdroge dient und den Beginn einer längeren Drogenkarriere auslösen kann. Auch kann der Dauerkonsum von Cannabis irreversible Spätfolgen nach sich ziehen. Wir nehmen unsere Verantwortung für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft wahr. Die Legalisierung von Drogen lehnen wir ab.
FPÖ
Klare Ablehnung der Liberalisierung von Cannabis
Da Cannabis nach wie vor als Einstiegsdroge gesehen wird, sind wir gegen eine Legalisierung.
Die Grünen: Legalisierung von medizinischem Cannabis ist vorrangiges politisches Ziel
Die Entkriminalisierung von CannabiskonsumentInnen [ist] den Grünen seit vielen Jahren ein großes Anliegen. Anzumerken ist auch, dass die Prohibition von Cannabis nicht dazu geführt hat, dass weniger Jugendliche Cannabis konsumieren. Bei entsprechenden Befragungen (etwa durch das IFES) geben rund ein Drittel der Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren zu, zumindest gelegentlich Cannabis zu konsumieren. Im Gegenteil, durch fehlende Kontrollen bei der Abgabe von Cannabis kommen auch Minderjährige leicht an die Rauschsubstanz. Wäre das Gefährdungspotential einer Droge der Maßstab für ihre Legalisierung, müssten Alkohol und Nikotin, die beide nachweislich schwere gesundheitliche Schäden hervorrufen, mit sofortiger Wirkung verboten werden. Bei diesen Substanzen gibt es aber ein Bewusstsein, dass durch die Legalisierung auch eine gewisse (leider in Österreich sehr lückenhafte) Kontrolle im Sinne des Jugendschutzes erfolgen kann. Cannabis scheint jedoch ein für die Medizin interessantes Wirkungsspektrum hinsichtlich Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen aber auch Magersucht zu haben. Legale Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis in der Medizin sind daher unser vorrangiges politisches Ziel in der Cannabispolitik.
Team Stronach
Im Programm gegen Legalisierung, aber Frank ist dafür
Das Team Stronach geht bei den Überlegungen nicht von den Menschen aus, die sich in gut situierten Lagen mit ausreichenden finanziellen Mitteln befinden und gerne ab und zu Cannabis konsumieren wollen.
Das Team Stronach spricht sich gegen eine Legalisierung von Cannabis aus, da eine Gesellschaft Werte und Vorbilder benötigt. Gerade in der heutigen Zeit, bei der die Bewältigung von Ausbildung, Beruf, Familie und auftretende finanzielle Sorgen bereits allzu leicht den Griff zu Mitteln welche helfen das tägliche Leben zu bewältigen, als Folge hat, ist eine Orientierung an den „Starken“ einer Gesellschaft nicht immer die richtige Entscheidung.
Die Liberalisierungsgedanken in den USA sind bereits ein trauriger Endpunkt gesellschaftlichen Versagens, da die Beweggründe nicht die Freiheit des Genusses, sondern die Unfinanzierbarkeit der Gefängnisse sind.
NEOS
Gegen überbordende Verbotspolitik – Position wird erarbeitet
Wir haben wir noch keine akkordierte, beschlossene Position. Unsere Stoßrichtung: Wir sind für mehr Prävention, gleichzeitig für Eigenverantwortung und gegen überbordende Verbotspolitik. Gerne würden wir als neue politische Kraft nach unserem Einzug im Parlament eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema machen, um gemeinsam mit den anderen Parlamentsfraktionen die Grundlagen für eine inhaltliche Weichenstellung gut aufzubereiten. Da müssen alle Parteien mit in die Verantwortung genommen werden. Das Thema zu tabuisieren halten wir für einen falschen Zugang.
Piratenpartei: Freigabe von Cannabis
Die Piratenpartei Österreichs hat als einzige Partei Österreichs eine recht klare Position zum Thema Cannabis: Um es kurz zu fassen, wir machen uns für eine Freigabe von Cannabis als Medizin (in seiner Naturform als Pflanze) sowie für eine Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel stark.
ÖHV-Stellungnahme: Neue Erkenntnisse in der Medizin überholen alte Dogmen
Der Österreichische Hanfverband ist in einer ersten Reaktion erfreut, dass einige Parteien Cannabis nicht mehr in überholter Weise als Rauschgift, sondern vor allem als Heilmittel und Genussmittel ansehen.
ÖHV-Präsident David Rosse sagte: „Es ist bedauerlich, dass die meisten österreichischen Parteien die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse weiter ignorieren und damit potentielle Milliarden-Einsparungen im Gesundheitssektor auf die lange Bank schieben.“
In den USA schreitet die Normalisierung im Umgang mit Cannabis mittlerweile rasch voran, sagte Rosse: „Im Mutterland der Cannabis-Prohibition hat inzwischen die Kontrollbehörde für Alkohol – und jetzt auch Cannabis – im Bundesstaat Washington die endgültigen Regeln für die legale Cannabis-Industrie verkündet. So werden die Konsumenten in Washington ihr Cannabis ab 2014 von bis zu 334 Läden legal beziehen können. Diese werden auf die Counties und Städte aufgeteilt. Der Bundesstaat hat eine maximale jährliche Produktion von etwa 40 Tonnen festgelegt. Produktionsstätten für die Cannabis-Produktion werden auf maximal 2.800 m² beschränkt.“
Ausstiegsmedikament – nicht Einstiegsdroge
Rosse sagte weiter, „gerade das Argument von Cannabis als ‘Einstiegsdroge’ ist seit vielen Jahren überholt. Der frühere Chef-Mediziner der US-Drogenbehörde DEA, Dr. Tod H. Mikuriya, hat bereits 2004 eine Liste von über 250 Krankheitsbildern erstellt, bei denen Cannabis die Medizin erster Wahl ist. Dr. Mikuriya bezeichnet Cannabis dort als Ausstiegsmedikament, das den Entzug von Alkohol, Nikotin, Psychopharmaka und Opiaten erleichtert und damit Suchtkranken bei der Entwöhnung hilft.“
Die Liste der 250 mit Cannabis behandelbaren Krankheitsbilder steht hier zum Download (PDF) zur Verfügung. Dr. Mikuriya, der einstige Chef-Mediziner der US-Drogenbehörde DEA trat kurz nach Veröffentlichung dieser Liste zurück.
„Angesichts dieses internationalen Trends sollten die österreichischen Parteien ihre Sichtweise über die Cannabis-Entkriminalisierung dringend überdenken.“ so Rosse abschließend.