Quelle: Pharmazeutische Zeitung
10.01.2013
SPD und Grüne fordern mehr Heroin für Abhängige in Deutschland. Fast vier Jahre nach dem entsprechenden Beschluss des Bundestages gebe es noch immer nicht mehr Ambulanzen zur Abgabe der Droge als in einer vorangegangenen Modellphase, heißt es in einer Pressemeldung der Deutschen Presse-Agentur.
Die SPD-Drogenexpertin Angelika Graf fordert, Schwerstabhängige einen Ausstieg aus der Sucht zu ermöglichen oder sie zu stabilisieren. «Wir brauchen deshalb auch ein bedarfsgerechtes Angebot der diamorphingestützten Behandlung» sagte sie der dpa. Nach Ansicht des Grünen-Drogenexperten Harald Terpe «haben Kassen und Kassenärzte die Rahmenbedingungen für die Diamorphintherapie in der Vergangenheit unnötig verschlechtert und damit den klaren Willen der überwiegenden Mehrheit des Bundestages ausgehebelt.» Er begrüße, dass nun die entsprechende Richtlinie im Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken geändert werden solle. Das Thema steht heute auf der Tagesordnung des Gremiums.
Der Hamburger Suchtforscher Uwe Verthein bestätigt den Bedarf einer Neuregelung. Die Bedingungen für die Teilnehmer seien hoch. «Könnte eine Diamorphin-Substitution früher einsetzen, müssten die Abhängigen nicht erst so tief abrutschen», sagte Verthein. Nur 400 Patienten seien deutschlandweit in der Diamorphinbehandlung. Das Hamburger Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, dessen Geschäftsführer Verthein ist, geht «von einem Bedarf für rund 1500, höchstens 3000 Patienten aus.»
Charles Romley Alder Wright entwickelte in den 1870er-Jahren ein Verfahren zur Synthese von Diacetylmorphin (Diamorphin). 1898 brachte Bayer den Stoff als Heroin in den Handel. Bayer bewarb das Mittel als Hustenmittel. Erst 1958 verschwand Heroin vom Pharmamarkt.
Nach einem bundesweiten Modellversuch von 2002 bis 2006 wird Diamorphin seit Juli 2009 in Deutschland an Heroinsüchtige in Spezialeinrichtungen unter strenger staatlicher Aufsicht abgegeben. Betroffene müssen seit fünf Jahren opiatabhängig sein, zwei erfolglose Therapien hinter sich haben und mindestens 23 Jahre alt sein. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums gibt es in Deutschland rund 150.000 Heroinabhängige. Untersuchungen ergaben, dass es Süchtigen nach der Umstellung deutlich besser ging. Teilweise konnten sie wieder ein geregeltes Leben mit festem Wohnsitz und fester Arbeit aufnehmen. Die Abbruchquote ist niedriger als beim Einsatz der Ersatzdroge Methadon. (ke)